Tour de France: Die letzte Chance – mal wieder
Schärfere Kontrollen sollen für eine saubere Tour sorgen. Am Samstag geht es los.
Brest. Die Tour de France kämpft ohne Rücksicht auf Verluste um den letzten Rest an Glaubwürdigkeit. Das Astana-Team von Titelverteidiger Alberto Contador und Andreas Klöden wurde für die am Samstag beginnende 95.Auflage ausgesperrt, Sprint-Star Tom Boonen die Rote Karte gezeigt und der umstrittene Weltverband UCI vor die Tür gesetzt: Im 105. Jahr ihres Bestehens nimmt die Tour, die alljährlich beim Juli-Spektakel über 130 Millionen Euro umsetzt, die selbst auferlegten Bewährungsauflagen für den in Misskredit geratenen Radsport offensichtlich ernst.
Ein umfangreicher Strafenkatalog mit bis zu 100 000 Euro Bußgeld und neue Tests auf Wachstumshormone, die ein Labor in Lausanne innerhalb von 24Stunden auswertet, sollen mutmaßliche Doper abschrecken.
"Ohne Zweifel ist es ein wichtiges Jahr für das Image des Radsports, über den die drei Wochen im Juli das Urteil fällen werden. Die Chance ist groß, dass Teams und Fahrer dafür sorgen werden, die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen", versprühte Tour-Direktor Christian Prudhomme Optimismus, bevor am Samstag in Brest in der Bretagne der Startschuss für die 3554-Kilometer-Tortur fällt.
Veranstalter, Sponsoren und Fans müssen allerdings bis zum Finale am 27. Juli auf dem Pariser Champs Elysées zittern, ob die Skandal-Nachrichten der vergangenen beiden Jahre keine Fortsetzung finden.
Zum zweiten Mal in Serie wird der Vorjahressieger nicht am Start stehen. Schon Floyd Landis konnte seinen 2006 errungenen Titel nicht verteidigen, nachdem er des Dopings überführt wurde. Die Schar der Stars ist ausgedünnt. Logischer Favorit für die 21 Etappen ist Cadel Evans (Silence-Lotto). Der frühere Mountainbike-Fahrer aus Australien war im Vorjahr von einem wie entfesselt fahrenden Contador nur um 23Sekunden auf den zweiten Platz verwiesen worden.
Dazu spekulieren der Sieger der Dauphiné Libéré, Alejandro Valverde (Spanien) sowie der zweifache Vuelta-Gewinner Denis Mentschow (Russland) und Ex-Giro-Champion Damiano Cunego (Italien) auf das "Maillot Jaune".
Die Tour-Hochzeiten der deutschen Profis sind vorbei, obwohl in Altmeister Erik Zabel bei seiner 14. Tour noch ein Vertreter scheinbar glorreicher Zeiten am Start ist. Das Podium in Paris ist für Markus Fothen (Team Gerolsteiner) noch etwas zu weit entfernt, ebenso für die 15 anderen Deutschen.
Zumindest sind Etappensiege drin: Verbissen werden darum vor allem die Gerolsteiner Profis kämpfen. Für sie ist die Tour jetzt ein großer Stellenmarkt, nachdem Team-Manager Hans-Michael Holczer bisher keinen Nachfolge-Sponsor für 2009 präsentieren konnte.
Erste Kandidaten für Tagessiege sind neben Fothen sein Teamkollege Stefan Schumacher, Haudegen Jens Voigt (CSC), Topsprinter Gerald Ciolek (Team Columbia/früher Telekom) bei seinem Debüt und Christian Knees (Milram). Linus Gerdemann, im Vorjahr nach seinem Etappensieg einen Tag in Gelb, muss verletzt zuschauen. Er ist nur im ZDF als Radsport-Experte zu sehen.
Ebenso wie Jörg Jaksche, der als Doping-Kronzeuge auftritt. Im Vorfeld der Tour äußert er Skepsis: "Eine saubere Tour gab es nie und wird es nie geben. Die grundsätzliche Einstellung der Beteiligten zum Thema Doping hat sich eventuell etwas geändert - mehr wohl nicht."