Tour de France: Die Zweifel am großen Wandel im Radsport

Experten äußern sich vor dem morgigen Start der Tour de France kritisch.

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Berlin/Leeds. Aktive sprechen vom Wandel, Wissenschaftler wie Fritz Sörgel und Ex-Profi Jaksche bezweifeln, dass er stattgefunden hat. Die Meinungen der Experten zum Thema Doping gehen vor dem Start der 101. Tour de France am Samstag auseinander. Der dreifache Weltmeister Tony Martin betrachtet den Radsport als inzwischen „realistischer und offener“.

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Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass Daryl Impey, der im vergangenen Jahr erster südafrikanischer Träger des Gelben Trikots war, in A- und B-Probe positiv auf ein Verschleierungsmittel getestet worden ist. Doping-Kronzeuge Jaksche zitiert ein italienisches Sprichwort: „Der Wolf ändert sein Fell, aber nicht seine Gewohnheiten.“

Mario Thevis, der Leiter des Kölner Anti-Doping-Labors, nennt diejenigen naiv, die glaubten, „wegen der verbesserten Kontrollmechanismen“ würden Manipulationsversuche nicht mehr vorkommen. Er sieht aber Anzeichen, dass es fairer zugeht, als noch zu Armstrong-Zeiten.

Der Doping-Experte Fritz Sörgel hält das Gerede vom großen Wandel für nicht viel mehr als PR. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass bei den Spitzenfahrern, die in der Tour-Gesamtwertung unter die ersten 15 kommen, irgendetwas anders sein soll als früher“, meinte er. „Stories um die ,neue gute Generation’ Radfahrer, die angeblich ohne Dopingmittel auskommen, empfinde ich wie ein Stück aus einem Marketing-Lehrbuch für unanständige Produkte“, sagte der Biochemiker. „Epo und Eigenblut mit Zutaten wie Anabolika und Wachstumshormon geschickt und nicht nachweisbar gemixt, sind unschlagbar“, vermutet Sörgel.

Jaksche hat ebenfalls kaum Illusionen. „Wenn es einen Wandel gab, so wurde er den Strippenziehern im Radsport von außen durch Sponsoren und der Öffentlichkeit aufgezwungen. Die Leute, die zu den Hoch-Zeiten des Dopings federführend aktiv waren, sind heute immer noch in Amt und Würden“, erklärte der Betriebswirtschafts-Student.

Tony Martin registriert „seit geraumer Zeit, dass die Zahl der Kandidaten, die für einen Sieg infrage kommen, gewachsen ist. Die Zeiten sind vorbei, in denen dir 60-Kilo-Spanier um die Ohren gefahren sind“, sagte Martin. Er selbst sei der Beweis, dass es auch „ohne“ geht: „Ich kann clean ganz vorne fahren“, sagte er vor dem Tourstart.

Sörgel beglückwünschte das britische Sky-Team um Toursieger Chris Froome zu „einem Coup“, Sportjournalist und Armstrong-Kritiker David Walsh, auf Tuchfühlung ins Innere des Teams gelassen zu haben. Der Ire fand nichts und schrieb eine Art Entlastungsbuch. Sörgel gibt zu bedenken: „Walsh ist kein Dopingexperte und kein Pharmakologe oder Mediziner, dem gut Verstecktes auffallen würde. Mich hat das sehr gewundert, dass er das mitmachte.“

1. Etappe, Tour de France, Samstag ab 12 Uhr bei Eurosport