Tour verrückt: Froome wackelt - Cavendish triumphiert
Saint-Amand-Montrond (dpa) - Mark Cavendish hat sich rehabilitiert, Seriensieger Marcel Kittel war isoliert, und Spitzenreiter Christopher Froome musste sogar um sein Gelbes Trikot bangen: Am Freitag spielte die 100. Tour de France verrückt.
Im Ziel der 13. Etappe meldete sich Ex-Weltmeister Cavendish in Saint-Amand-Montrond nach zwei bitteren Niederlagen gegen Kittel mit seinem zweiten diesjährigen Etappenerfolg zurück im Club der Siegfahrer. Nach seinem insgesamt 25. Tageserfolg in Frankreich konnte er endlich wieder lachen. „Ich bin einfach nur glücklich - mein Team war fantastisch“, sagte der Brite als Schnellster über die 173 Kilometer.
Froome war einmal mehr auf sich allein gestellt. Als der zweifache Toursieger Alberto Contador 30 Kilometer vor dem Ziel der Flachetappe mit seinem Team eine wütende Attacke anzettelte, hatte der Spitzenreiter aus Großbritannien bald keinen Helfer mehr. Seine Teamkollegen waren wie zuletzt in den Pyrenäen überfordert. Ergebnis: Froome verlor auf Contador, jetzt Dritter im Gesamtklassement, und den neuen Zweitplatzierten Bauke Mollema (Niederlande) 1:09 Minuten.
Am Regiepult der Saxo-Bank-Mannschaft Contadors wird sich Bjarne Riis die Hände gerieben haben. Froome übernahm sein Maillot Jaune auf dem Siegerpodest mit fast versteinerter Miene. Seine Führung schmolz: Der schmale Brite geht mit 2:28 Minuten Vorsprung auf Mollema und 2:45 Minuten auf Contador in die 14. Etappe am Samstag.
„Ich habe immer gesagt, die Tour ist erst in Paris zu Ende. Aber ich zweifle nicht - so sind eben Radrennen. Ich habe heute ein bisschen Zeit verloren, aber ich hoffe, am Wochenende auf dem Mont Ventoux läuft's besser“, sagte Froome, dem der verletzt ausgestiegene Norweger Edvald Boasson Hagen an allen Ecken und Enden fehlte. „Einen Mann mit solchen Qualitäten habe ich heute sehr vermisst“, sagte der Spitzenreiter, der wegen der Schwäche seines Teams bei der Tour quasi allein gegen den Rest der Welt kämpfen muss. „Aber der Vorsprung ist immer noch komfortabel.“
Laut Streckenplan hatte der Tagesabschnitt im Departement Indre-et-Loire wenig Spektakuläres zu bieten. Er entpuppte sich aber als außerordentlich ereignisreich. Der starke Wind und ständige Attacken sorgten dafür, dass sich auf den letzten 50 Kilometern viele verschiedene Gruppen gebildet hatten. Den überraschendsten Angriff lancierte das Contador-Team.
Kittel war schon früh um die Chance gebracht worden, seine Serie fortzusetzen. Bei heftigen Windböen hatte sich das Feld nach 105 Kilometern geteilt, Kittel rutschte in die zweite Gruppe. Die Nachzügler hatten schnell über eine Minute Rückstand, weil an der Spitze Omega-Quick Step für Cavendish und das Team Belkin für Mollema Tempo bolzten.
Die Niederländer witterten eine Chance, ihren Kapitän an Alejandro Valverde vorbei auf Rang zwei des Gesamtklassements zu fahren. Der Spanier steckte nämlich auch in der abgeschlagenen Kittel-Gruppe, nachdem er durch einen Defekt Zeit verloren hatte. Die gleichzeitige Attacke an der Spitze fand Valverde-Teamchef José Luis Arrierta nicht fair. „Das ist nicht sportlich“, mäkelte der Ex-Profi.
Auch André Greipel, der in der abgeschlagenen Froome-Gruppe fuhr, fand das nicht sehr fein. „Wenn man einen Platten hat, macht man so etwas nicht“, sagte der Etappensieger von Montpellier. Froome stimmte ihm zu: „Die Attacke bei einem Defekt ist nicht sehr fair. Ich hoffe, das passiert mir nicht, wenn ich in dieser Lage sein sollte.“
Froomes Team war erneut geschwächt ins Rennen gegangen. Boasson Hagen war schon auf dem Heimweg nach Norwegen. Der WM-Zweite hatte sich beim Massensturz am Vortag das Schulterblatt gebrochen. Damit war das Team Sky nur noch mit sieben Fahrern unterwegs, nachdem bereits Wasil Kirienka auf der neunten Etappe ausgestiegen war. Außerdem ist Geraint Thomas seit seinem Sturz zum Auftakt mit einer angebrochenen Hüfte stark gehandicapt. Ergebnis dieser Rückschläge war die Wehrlosigkeit Froomes bei der überraschenden Contador-Attacke.