EM-Aus für Totilas nach Heim-Schlappe: War es das ?

Aachen (dpa) - Ist Wunderpferd Totilas am Ende der Karriere? Am Tag nach der Heim-Schlappe der deutschen Dressurreiter bei der EM in Aachen verkündete Equipechef Klaus Roeser das schon nicht mehr überraschende Aus des Millionen-Hengstes und seines Reiters Matthias Rath aus gesundheitlichen Gründen.

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Roeser leitet damit womöglich Totilas' Abschied vom Turniersport ein. „Wir haben zum Wohle des Pferdes entschieden, auf einen weiteren Start von Totilas zu verzichten“, sagte Roeser. Einen Tag zuvor hatte Rath auf dem mittlerweile 15 Jahre alten Rappen mit dem deutschen Team die angestrebte Goldmedaille verpasst und sich hinter dem neuen Europameister Niederlande und Großbritannien nur mit Bronze begnügen müssen.

Schon nach seinem Ritt waren erste Zweifel an der Fitness des einstigen Wunderpferdes aufgetaucht. Totilas zeigte am hinteren linken Bein bei einigen Lektionen Auffälligkeiten. Auch am Dienstag hatte es bei der Verfassungsprüfung Diskussionen um den Hengst gegeben, am Ende bestand er den Gesundheitscheck.

Nach der Videoanalyse des Rittes in der Nacht sprach Roeser von „Taktunreinheiten“, deren Ursachen gefunden werden müssten. „Es sind äußerlich keine Beeinträchtigungen festzustellen. Das Bein ist weder etwas dick noch etwas heiß“, betonte er. Das Pferd wurde dennoch am Freitag in eine Tierklinik gebracht, um genauer untersucht zu werden.

Der Abschied von der CHIO-Anlage in Aachen könnte für Totilas ein Abschied für immer vom großen Turniersport gewesen sein. „Ohne zu wissen, was Ursache ist, wäre es dem Pferd, dem Reiter und allen Beteiligten gegenüber ungerecht, sich über die Zukunft zu äußern“, sagte Roeser zwar. Doch die Zweifel sind groß, ob das mit geschätzten zehn Millionen Euro teuerste Dressur-Pferd noch bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio durchhält.

Das seit 2010 dauernde und stets kritisch beäugte Projekt Rath/Totilas endet wohl ohne einen internationalen Titel. Der Hengst ist zu anfällig, seine Krankenakte der vergangenen Jahre um einiges dicker als seine Erfolgsbilanz. Zudem ist er im fortgeschrittenen Pferde-Alter.

Die EM in Aachen war das erste Championat seit vier Jahren für das Paar und der erste Auftritt nach einjähriger Verletzungspause seit seinem Sieg beim CHIO an gleicher Stelle. Erst im Juli in Hagen lieferten Rath und sein Hengst den Nachweis für ihre EM-Tauglichkeit.

Nun bleibt die Frage, ob die Teamleitung auf ein angeschlagenes Pferd gesetzt hat, um mit allen Mitteln das kurzfristige Ziel EM-Gold zu erreichen. „Wir müssen uns der Diskussion stellen“, sagte Roeser, verteidigte aber die Nominierung von Totilas: „Nach den guten Ergebnissen in Hagen gab es keine Zweifel, das zu tun. Alles andere werden wir nachher intern diskutieren.“ Auf der Agenda wird dann auch der interne Sichtungsweg stehen. „Das ist für uns eine Lernprozess gewesen“, sagte Roeser, der auch Vorsitzender des Dressurausschusses ist. „Wir werde unsere Lehre ziehen.“

Der Wirbel um Totilas drängte die Ursachenforschung, wie es zu dem „Schock“ (Roeser über EM-Bronze) kam, in den Hintergrund. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen ist die deutsche Equipe hinter den Dauer-Konkurrenten aus den Niederlanden unter anderen mit ihrem Star Edward Gal auf Undercover und aus Großbritannien mit Doppel-Olympiasiegerin Charlotte Dujardin auf ihrem Ausnahmepferd Valegro zurückgefallen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass man Paare braucht, die über 80 Prozentpunkt gehen“, sagte Roeser. Derzeit hat Bundestrainerin Monica Theodorescu nach dem Auseinanderbrechen der Kombination Helen Langehanenberg/Damon Hill in Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados aber nur noch ein Weltklasse-Paar. Das Duo darf in Aachen am Samstag im Grand Prix Special und am Sonntag in der Kür noch auf Medaillen spekulieren.

Davon sind Jessica von Bredow-Werndl mit Unee und die fünfmalige Olympiasiegerin Isabell Werth mit Don Johnson weit entfernt. Die 46-jährige Werth hat immerhin in Bella Rose noch ein Top-Pferd für Rio im Stall. In Aachen fehlte die junge Stute verletzt. Dahinter sind Top-Paare in der einstmals dominierenden Dressur-Nation Deutschland rar.

„Wir sehen uns sehr gut aufgestellt“, versicherte dennoch Breido Graf zu Rantzau, Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. „Es ist alles näher beisammen. Wir sind das nächste Jahr wieder da.“ Einer wird dann aber wohl fehlen: Totilas.