Staunen über US-Jacht und Kritik an Gigantomanie
Hamburg (dpa) - Ungläubiges Staunen über die famose Aufholjagd der US-Jacht im America's Cup, aber auch die unüberhörbare Forderung nach Veränderungen: Mit 9:8 hatten die Amerikaner im Revier vor San Francisco den Segel-Zweikampf mit Herausforderer Neuseeland gewonnen und den Cup behalten.
Mit 1:8 lag das US-Team im eigenen Land bereits hinten. Kaum einer hatte mehr einen Pfifferling auf die Gastgeber gesetzt. Doch das Team von Steuermann James Spithil bekam seinen Hightech-Katamaran mit einem Flugzeugflügel als Segel immer besser in den Griff und gewann acht Rennen in Serie. „Team USA zerschlägt Kiwis“, titelte daraufhin „The Sydney Morning Herald“. „Ich denke heute an meinen Freund Andrew 'Bart' Simpson. Er war ein unglaublicher Segler, Mensch und Vater“, sagte Ben Ainslie, Taktiker des Oracle Team USA.
Der viermalige britische Olympiasieger widmete seinem Freund und Landsmann den Sieg. Simpson war vier Monate zuvor bei einem Trainingsunfall auf dem schwedischen America's-Cup-Katamaran „Artemis“ ums Leben gekommen. „Es ist traurig, dass Bart nicht mehr bei uns sein kann“, sagte Ainslie. Als „Mutter aller Comebacks“ bezeichnete die englische Tageszeitung „The Times“ die unglaubliche Aufholjagd der US-Jacht. Bei den Neuseeländern herrschte dagegen tiefste Trauer. „Es ist zu diesem Zeitpunkt schwer zu sagen, ob das Team überleben wird“, kommentierte „The New Zealand Herald“ das Ergebnis.
„Der Cup ist anders ausgegangen als viele Menschen und ich es erhofft hatten, aber dann doch so, wie man es erwarten musste“, sagte Deutschlands Segel-Legende, der zweimalige America's-Cup-Sieger und dreimalige Olympiasieger Jochen Schümann der Nachrichtenagentur dpa. Dennoch sieht der 59-Jährige die Entwicklung kritisch: „Ich halte es weiterhin für fraglich, ob sie mit den vielen Flügeln unter und über dem Wasser den typischen Segelsport darstellen. Und ich bleibe dabei, dass die Regatta mit den Herausforderern vor dem großen Finale ein Schuss in den Ofen war“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Große Kritik erntet die Gigantomanie. Das Team New Zealand, America's-Cup-Gewinner 1995 und 2000, investierte rund 60 Millionen Euro, von denen rund 20 Millionen Euro die neuseeländische Regierung aufbrachte. Dem US-Rennstall von Milliardär Larry Ellison standen rund 150 Millionen Euro zur Verfügung. „Wenn man 100, 150 oder 200 Millionen Dollar ausgeben muss, um eine Chance zum Mitsegeln zu haben, ist das einfach zu teuer“, klagte Schümann. Wenn da nicht gegengesteuert werde, bleibe die Mehrheit der Segelwelt vom America's Cup ausgeschlossen.
Der Titelverteidiger kündigte eine Reduzierung der Kosten an. „Dieser America's Cup hat den Segelsport für immer verändert. Es war die schönste Regatta, die ich jemals auf dem Wasser gesehen habe. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass er teuer war. Wir wollen das ändern, denn der America's Cup braucht wieder mehr Nationen“, sagte Ellison.
Schümann sieht Chancen für eine zweite deutsche Cup-Teilnahme nach 2007: „Wir haben in unserem Land die Technologie, die Mittel und die Leute, um im America's Cup zu bestehen.“ Aber eine Kampagne unter deutscher Flagge könne nicht ohne olympische Erfolge entstehen: „Die brauchen wir, damit uns die Wirtschaft auch Erfolge im America's Cup zutraut.“
Trost für die Unterlegenen kam von Neuseelands Premierminister John Key. „Es tut mir so leid für das Team. Sie haben nicht nur Wochen, nicht nur Monate, sondern Jahre für diese Kampagne gearbeitet. Wir sind wohl sehr gut im Segeln, mussten aber gegen ein dickes Scheckbuch antreten“, klagte der Politiker.