„Silent Stan“: Der mächtigste Mann des Sports
Boston (dpa) — Er hat aus dem Stanley Cup getrunken und die Vince Lombardi Trophy in die Höhe gereckt. Er ist der Boss von Lukas Podolski und Per Mertesacker und für die „Sports Illustrated“ schlichtweg „der mächtigste Mann des Sports“.
Dennoch ist Stan Kroenke für viele schlichtweg Mr. Unbekannt.
Der 65 Jahre alte Immobilien-Tycoon mit dem Schnauzbart nennt so viele Sportteams sein Eigen wie kein anderer. Ihm gehören die St. Louis Rams (NFL), Denver Nuggets (NBA), Colorado Avalanche (NHL), Colorado Rapids (MLS) und der FC Arsenal. Aber kaum ein Fan dieser Vereine weiß, wie Kroenke eigentlich aussieht.
Kein Wunder — der Multi-Milliardär aus Missouri ist kein Showman wie beispielsweise Dallas Mavericks-Besitzer Mark Cuban. Er hört lieber anderen zu als über sich selbst zu reden, gibt kaum Interviews, hat keinen Twitter-Account und trägt den Spitznamen „Silent Stan“ (stiller Stan) sicher nicht zu Unrecht.
„Ich mache dies garantiert nicht, um erkannt zu werden“, betont Kroenke. Wenn er über Sport spricht, wirkt er fast wie ein Fan und nicht wie ein erfolgreicher Business-Mann. Er klingt leidenschaftlich und engagiert. „Es geht um Teamwork, Beharrlichkeit, Arbeitseinstellung — also um universelle Werte. Und der Sport fördert dies. Er bricht Barrieren, wird überall auf der Welt geliebt, bringt die Gemeinschaft zusammen“, sagt Kroenke.
Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ führt ihn in der Liste der 400 reichsten Amerikaner auf Position 92 — mit einem Vermögen von vier Milliarden Dollar. Seine Ehefrau Ann rangiert mit 4,5 Mrd. Dollar noch 13 Plätze vor ihm. Sie ist die Tochter von Bud Walton, dem Mitbegründer der Einzelhandelskette Wal-Mart, die das US-Wirtschaftsmagazin „Fortune“ 2012 auf Rang drei der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt listete.
So wohlhabend Kroenke heute auch ist, die Anfänge waren bescheiden. Enos Stanley Kroenke wurde 1947 in einem Dorf zwei Stunden südöstlich von Kansas City geboren. Seinem Vater gehörte ein Holzhandel. Die vier Kilometer zur Schule ging der Sohnemann täglich zu Fuß. Kroenke begann in der Immobilienbranche, baute Appartement-Komplexe und Einkaufszentren, wo zuvor nur braches Land war. In New York oder Los Angeles wäre er sicherlich eine große Nummer und weit oben auf der Promi-Liste. Doch Kroenke bevorzugt die Ruhe von Missouri.
1995 brachte „Stan, immer Stan, nicht Mr. Kroenke“ die Footballer der Rams aus Los Angeles nach St. Louis, fünf Jahre später gewann das Team die Super Bowl. 2000 leistete sich Kroenke die Denver Nuggets, die Colorado Avalanche sowie deren Spielstätte. Im darauffolgenden Sommer hielt er den Stanley Cup in den Händen. In Denver besitzt er nicht nur die Arena, sondern auch die lokalen TV-Sender, die die Spiele seiner Teams übertragen, eine Firma für den Vertrieb von Trikots und Fanartikel sowie eine weitere für den Ticketverkauf.
Vor knapp zehn Jahren kam ihm schließlich die Idee mit Arsenal. Bei einem Trip nach Hongkong fiel Kroenke auf, dass am Zeitungsstand viele Magazine hauptsächlich von der Premier League berichteten. „Ich dachte mir, das könnte was sein.“ 2007 begann er, Vereinsanteile zu kaufen, obwohl sein Empfang dort nicht gerade überschwänglich war. „Nennt mich altmodisch, aber wir brauchen sein Geld nicht und wir wollen ihn hier auch nicht“, sagte Präsident Peter Hill-Wood damals.
Mittlerweile gehören dem Mann mit dem Südstaaten-Akzent rund zwei Drittel der Arsenal-Anteile. Doch Kroenkes Beliebtheitswerte sind immer noch nicht gestiegen. Die Arsenal-Fans zahlen die teuersten Ticketpreise der Liga, sehen ihr Geld aber nicht in die Mannschaft investiert. Im Gegenteil: Stars wie Cesc Fabregas (Barcelona) oder Robin van Persie (Manchester United) wurden verkauft.
Alisher Usmanov, ein Milliardär aus Usbekistan und Besitzer von 29 Prozent der Arsenal-Anteile, lässt keine Möglichkeit aus, gegen Kroenke zu giften. Erst vor wenigen Tagen warf er ihm vor, „wahrscheinlich glücklich“ über Platz vier in der Premier League zu sein und kein Anliegen zu zeigen, „ein siegreiches Team zu kreieren“.
Kroenke lässt dies ebenso kalt wie das jüngste Übernahmeangebot für 1,5 Mrd. Dollar aus dem Nahen Osten. Denn eines hat er in seinen 18 Jahren als Teambesitzer noch nie gemacht — einen seiner Clubs verkauft.