Australian Open „Hab's geschafft“: Kämpferin Keys besiegt Versagensängste
Melbourne · Siebeneinhalb Jahre musste Madison Keys auf ihre zweite Finalchance für den Grand-Slam-Titel warten. Diesmal bleibt sie nervenstark. Geholfen haben eine Therapie und eine andere Einstellung.
Barfüßig und in einem luftig-leichten Kleid ging Madison Keys wie eine gewöhnliche Touristin den Strand entlang. Nur die silberne Trophäe in ihren Händen und die vielen auf sie gerichteten Kameras verrieten, dass etwas Besonderes vor sich ging. Die ungezwungene Umgebung und das lockere Outfit beim Fotoshooting am Brighton Beach passten perfekt zur Stimmung der Amerikanerin. Tags zuvor hatte sich die Tennisspielerin mit einem 6:3, 2:6, 7:5-Finalcoup bei den Australian Open gegen die favorisierte Aryna Sabalenka endgültig von ihren Zwängen und Ängsten befreit.
„Ich kann nicht glauben, was gestern Nacht passiert ist“, sagte die 29-Jährige in einer Video-Botschaft: „Aber ich bin so, so glücklich und fühle mich geehrt, dass ich meinen ersten Grand Slam hier in Melbourne gewonnen habe.“ Auf ihren Social-Media-Kanälen postete Keys ein Bild von sich mit dem Pokal, dazu schrieb sie nur drei Worte: „I did it“ (Ich hab's geschafft).
Panik wegen der Prophezeiung
Nach Jahren des Selbstzweifels und eines von außen sowie innen auferlegten Riesendrucks spürte die neue Tennis-Königin von Melbourne im Moment des Triumphs eine wohltuende Leichtigkeit. „Ich bin wirklich stolz auf mich“, sagte sie: „Ich habe nicht immer geglaubt, dass ich wieder an diesen Punkt kommen kann. Aber dass ich es geschafft und gewonnen habe, bedeutet mir die Welt.“
Madison Keys war einst eine Prophezeiung im US-Tennis. Schon im Alter von elf, zwölf Jahren sprach man in ihr das Potenzial eines künftigen Grand-Slam-Champions zu. Als 14-Jährige feierte sie ihren ersten Profisieg, Medien schwärmten über die „neue Serena Williams“. Doch bis zu ihrem ersten Grand-Slam-Finale dauerte es etwas. Die 3:6, 0:6-Niederlage bei den US Open 2017 gegen Landsfrau Sloane Stephens schmerzte, aber alle dachten: Keys bekommt noch mehr solcher Chancen.
Therapie half gegen Versagensängste
Tatsächlich aber musste Keys siebeneinhalb Jahre auf ihre zweite Chance warten. Die enorme Erwartungshaltung sei „eine ziemlich schwere Last“ gewesen und hätte bei ihr „eine kleine Panik“ ausgelöst. Sie habe sich ständig gefragt: „Warum ist es noch nicht passiert? Warum habe ich es nicht geschafft? Wenn ich es nicht schaffe, gelte ich dann als Versager?“
Der Knoten platzte nun ausgerechnet in der Phase ihrer Karriere, in der sie ihrem ganz großen Traum nicht mehr mit aller Macht hinterherjagte. „Endlich war es für mich okay, wenn es nicht passierte“, sagte sie. Erst diese Gelassenheit habe ihr die Fähigkeit gegeben, „wirklich gutes Tennis zu spielen, um tatsächlich einen Grand Slam zu gewinnen“.
Geholfen habe ihr auf diesem Weg nicht nur Ehemann und Trainer Björn Fratangelo, sondern auch „viel Therapie“, verriet Keys. Dadurch habe sie eine für ihren Sport wichtige Erkenntnis gelernt: „Ich kann nervös sein und trotzdem gutes Tennis spielen.“
Sabalenka verpasst Titel-Hattrick
Diese mentale Stärke half Keys auch im Finale gegen Sabalenka. Nur ganz wenige Spielerinnen auf der Tour würden nach einem 2:6 im zweiten Satz gegen die sonst so selbstbewusste Belarussin noch in der Lage sein zu gewinnen. „Wow, was für ein Turnier“, sagte die Weltranglistenerste an Keys gerichtet, „du hast unglaublich gespielt“. Und nebenbei der Siegerin von 2023 und 2024 den Titel-Hattrick verbaut.
Wie sehr Keys es wollte, zeigt auch, dass sie sich ab dem Achtelfinale jeweils in Drei-Satz-Matches zum Titel gekämpft hat. Das gab es in der Profi-Geschichte der Australian Open vorher noch nie. Keys ist zudem die erste Spielerin seit 20 Jahren, die in Melbourne im Turnierverlauf die Nummer eins und zwei der Tennis-Welt schlagen konnte. Im Halbfinale hatte die an Nummer 19 gesetzte Amerikanerin die Weltranglistenzweite Iga Swiatek aus dem Turnier geworfen.
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