Kamke-Coup in Miami gegen Del Potro

Miami (dpa) - Tobias Kamke schaute nach seinem Sensationssieg fast ehrfürchtig zum 20 Zentimeter größeren Juan Martin Del Potro auf. Es wirkte fast, als wolle sich der Außenseiter aus Lübeck für seinen 7:6 (7:5), 6:1-Sieg beim ATP-Mastersturnier in Florida entschuldigen.

Denn in dem mehrmals wegen Regens unterbrochenen Match hatte Kamke die Nummer Sieben der Weltrangliste zu Fall gebracht und für die bislang größte Sensation der Hartplatz-Veranstaltung gesorgt.

„Ein Sieg gegen einen Top Ten-Spieler ist was Besonderes für mich und fühlt sich gut an. Das gibt Motivation und zeigt mir, dass ich die Leute wirklich besiegen kann“, sagte Kamke, der nach 1:50 Stunden gleich seinen ersten Matchball verwandelt hatte. Bei der Einordnung seines Erfolgs über den Argentinier musste er auch nicht lange überlegen: „Das war einer der zwei wichtigsten Siege in meiner Karriere.“

Erst einmal hatte sich der 26-Jährige zuvor gegen einen Top-Ten-Spieler durchgesetzt. Im November 2010 überraschte er in der ersten Runde des Sandplatz-Turniers von Basel den damals wie heute an Nummer sechs geführten Tschechen Tomas Berdych mit 6:4, 6:1.

Diesmal bezwang der 1,78 Meter große und eher schmächtig wirkende Norddeutsche Del Potro. Vergangene Woche hatte der Südamerikaner im Viertelfinale von Indian Wells Olympiasieger und US-Open-Champion Andy Murray aus Schottland besiegt, anschließend dem serbischen Branchenprimus Novak Djokovic die erste Saisonniederlage zugefügt und das Endspiel gegen Rafael Nadal (Spanien) nur knapp verloren.

Nun scheiterte der Olympia-Dritte von London an Kamke, der im globalen Ranking an Position 89 geführt wird und in diesem Jahr gerade mal drei Spiele auf der ATP-Tour bis dahin gewonnen hatte - gegen die Nummern 158, 95 und 91 der Weltrangliste. „Er hat die Chance genutzt, mich zu besiegen, ist ein guter Spieler und hat verdient gewonnen“, sagte del Potro. Er meinte aber auch, dass die nun anstehende Pause gut für sein 2010 operiertes Handgelenk sei.

Dabei sah nach einem ausgeglichenen Auftakt alles danach aus, als würde Del Potro im Turnier bleiben. Er führte 5:2 und hatte sogar zwei Satzbälle - gab den Durchgang im Tie-Break aber ab. „Gegen Top-Leute ist es immer wichtig, dass du einen guten Start hast und ihnen nicht gleich hinterherlaufen musst“, meinte Kamke, dessen Selbstvertrauen mit zunehmender Spieldauer immer größer geworden war. Die knallharten Vorhand-Schläge und das druckvolle Spiel von der anderen Seite des Netzes waren hingegen ausgeblieben. „Ich musste gar keine unglaublichen Bälle spielen, um zu punkten“, sagte Kamke.

Ende Januar 2011 hatte er sich in der Weltrangliste bis auf Platz 64 hochgearbeitet und im Jahr zuvor die dritte Runde in Wimbledon erreicht. Ansonsten galt Kamke eher immer als angenehmer Gegner, der den Großen nie Probleme machte. Da, wo er stehe, räumte der Schleswig-Holsteiner ein, verliere man mehr Spiele als man gewinne.

Mit dem Sieg gegen Del Potro wird er jedoch einen Sprung nach oben machen. Und die dritte Runde muss keineswegs seine letzte sein. Gegner Jürgen Melzer hat zwar vergangenen Woche das Challenger-Turnier in Dallas gewonnen und in der zweiten Runde von Miami den Spanier Marcel Granolles besiegt. Dennoch war der Doppel-Spezialist aus Österreich in diesem Jahr bislang alles andere als konstant, verlor bei den vergangenen drei ATP-Turnieren jeweils sein Auftakt-Match - in Indian Wells beispielsweise gegen Mischa Zverev, die Nummer 144.