Kerber und Zverev Hauptdarsteller in Wimbledon
London (dpa) - 25 Jahre nach einem denkwürdigen Endspiel-Wochenende in Wimbledon hat das deutsche Tennis wieder zwei Hauptdarsteller. Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber und das vielversprechende Ausnahme-Talent Alexander Zverev stehen im Südwesten Londons im Blickpunkt.
Auf ihnen liegt die Last der Erwartungen, wenn am Montag das bedeutendste Tennis-Turnier der Welt beginnt. Kann Kerber auch auf den berühmten Rasenplätzen auf Steffi Graf als nächste deutsche Siegerin folgen? Schürt Zverev weiter die Hoffnung, die Nachfolgerolle eines Boris Becker übernehmen zu können?
Das Potenzial für Tage mit schwarz-rot-goldenem Jubel ist da. So geschichtsträchtig wie 1991 wird das Wimbledon 2016 aus deutscher Sicht jedoch kaum werden. Damals bezwang Michael Stich im Finale Boris Becker in dessen „Wohnzimmer“, Graf holte ihren dritten Titel.
Bundestrainerin Barbara Rittner traut ihrer Vorzeige-Dame Kerber natürlich zu, die derzeit abhandengekommene Dominanz von Serena Williams erneut auszunutzen. „Die Chance bei den Damen ist so groß wie nie“, sagte die Fed-Cup-Chefin.
Die Enttäuschung über das Erstrunden-Aus auf der roten Asche der French Open scheint Kerber hinter sich gelassen zu haben. Ihre Schulterprobleme hat die Nummer vier der Welt rechtzeitig vor ihrem ersten Auftritt auf der ehrwürdigen Anlage des All England Lawn and Croquet Clubs auskuriert. „Ich bin wirklich mental und körperlich vorbereitet“, sagte die 28-Jährige, die zu Saisonbeginn in Australien als erste Deutsche seit Steffi Graf 1999 einen Grand-Slam-Titel feierte. „Ich spüre, dass da noch mehr möglich ist für mich.“
Gleich am ersten Turniertag von Wimbledon trifft die Halbfinalistin von 2012 auf die britische Außenseiterin Laura Robson, während sich der junge Zverev am Montag noch an die Atmosphäre gewöhnen darf.
In der Herren-Konkurrenz gehört der Hamburger Zverev erstmals zur Setzliste. Besser platzierten Profis geht der 19-Jährige damit zumindest für zwei Runden aus dem Weg. Für den Auftakt hat er den Weltranglisten-59. Paul-Henri Mathieu erwischt. „Er ist ein Super-Talent. Ich bin überzeugt, dass er ein Top-Ten-Spieler wird, keine Zweifel“, sagte der Schweizer Tennis-Star Roger Federer jüngst in Halle über Zverev. Dort ließ die Nachwuchshoffnung mit einem Halbfinal-Erfolg über den siebenmaligen Wimbledonsieger aufhorchen.
Noch dürfte für ihn die Rolle eines Nachfolgers von Becker und Stich aber zu früh kommen. In Paris war für Zverev in der dritten Runde Schluss. In London wäre in der dritten Partie ein Duell mit dem erfahrenen tschechischen Top-Ten-Spieler Tomas Berdych möglich.
Auch ein ähnlicher Kollektiv-K.o. wie gerade in Paris, als das Achtelfinale ohne deutsche Beteiligung stattfand, ist nicht auszuschließen. In Wimbledon im vergangenen Jahr kam ebenfalls keiner von insgesamt 18 deutschen Profis über die dritte Runde hinaus. Diesmal stehen zehn Damen und sechs Herren im Hauptfeld.
Dass die Namen von Andrea Petkovic und Sabine Lisicki in der zweiten Woche noch auf dem Tableau zu finden sind, scheint unwahrscheinlich. Die deutsche Nummer zwei Petkovic hat an der Church Road noch nie das Achtelfinale erreicht. Die Formkrise von Lisicki, 2013 Wimbledon-Finalistin, hält seit Monaten an. In der Weltrangliste ist die Berlinerin mittlerweile bis auf Rang 81 durchgereicht worden.
Der derzeit beste Deutsche bei den Herren, Philipp Kohlschreiber, klagte zuletzt über eine Zerrung an der Hüfte und bangte gar um seine Teilnahme. Halle-Sieger Florian Mayer hat das Pech, gleich auf den Österreicher Dominic Thiem zu treffen. Den French-Open-Halbfinalisten hat der Rückkehrer in Halle allerdings besiegt.
Am Ende könnte aber auch wieder Boris Becker mehr als die aktuelle deutsche Tennis-Garde Grund zum Jubeln haben. Sein Schützling Novak Djokovic tritt als Titelverteidiger und Topfavorit an. Mit seinem vierten Wimbledon-Titel würde der Serbe an Becker vorbeiziehen.