Kiefer mit sich im Reinen - Kein Comeback-Gedanke
Hannover (dpa) - Er wurde einst als Thronfolger von Boris Becker und Michael Stich gehandelt. Doch der ganz große Durchbruch in Form eines Grand-Slam-Titels blieb Nicolas Kiefer verwehrt. Vor einem Jahr beendet er seine Karriere - und ist damit immer noch glücklich.
Nicolas Kiefer strahlt, als er die TennisBase in Hannover betritt. „Heute Vormittag waren wir alle zusammen beim Babyschwimmen, das war riesig“, erzählt der frühere Tennisprofi, der einst als designierter Nachfolger von Boris Becker galt. Doch von Verletzungen zermürbt, entschied der Hannoveraner seine Karriere zu beenden und sich seiner Tochter Mabelle zu widmen. Babyschwimmen statt Ballwechsel heißt es seitdem - und Kiefer ist mit sich absolut im Reinen.
Überlegungen für ein Comeback? „Daran habe ich noch nicht ein einziges Mal gedacht“, sagte Kiefer in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. „Im Gegenteil, ich genieße die Zeit sehr.“ Statt mehr als 300 Tage im Jahr durch die Welt zu tingeln, ist der 34-Jährige jetzt viel zu Hause bei seiner Familie. „Ich genieße die Vaterrolle sehr. Ich bin ein absoluter Familienmensch, deshalb ist es einfach schön, die Zeit zu haben“, sagte der Niedersachse.
Die gelbe Filzkugel spielt in seinem Leben trotzdem weiter eine zentrale Rolle. Am Bundesstützpunkt Nord in seiner Heimatstadt Hannover ist Kiefer als Berater und Trainer tätig. „So bleibe ich auf jeden Fall im Tennis drin“, meinte die ehemalige Nummer vier der Welt. Den Kontakt zum Spitzensport verliert er nicht. Im Winter trainierten mit Julia Görges und Sabine Lisicki zwei der deutschen Top-Damen in Hannover, „das ist natürlich eine tolle Auszeichnung für uns“.
Regelmäßig steht Kiefer in der TennisBase auch selbst noch auf dem Platz, vor allem mit dem Nachwuchs arbeitet der frühere Profi gerne. „Es macht riesig Spaß und ist eine tolle Herausforderung“, sagte Kiefer, der mit der nachstrebenden Generation stets mitfiebert. „Jetzt sitze ich hier vor dem Computer und verfolge die Ergebnisse der Jungs und Mädels, wenn sie auf der Welt unterwegs sind. Und wenn sie gewinnen, dann balle ich die Faust.“
Bekommt man da nicht doch noch einmal Lust, selbst wieder zu spielen? Im Juni stand Kiefer bei einem Showkampf in Halle/Westfalen auf dem Platz, wurde von den Fans bejubelt. Er genießt solche Auftritte, an seiner Entscheidung ändert das aber nichts. „Das Kribbeln war schon da. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass ich bereit bin, wieder zu spielen.“
Dazu gehöre schließlich eine komplette Vorbereitung, in die man viel investieren müsse. „Das habe ich 15 Jahre lang gemacht, und das muss nicht mehr sein. Es war eine schöne Zeit, aber der trauere ich nicht hinterher“, sagte der Roger-Federer-Fan.
Kiefers langjähriger Weggefährte Tommy Haas hat den anderen Weg gewählt: Der Wahlamerikaner kämpfte sich wieder zurück auf die Tour. Im kommenden Jahr will Haas wieder angreifen, Kiefer traut seinem früheren Davis-Cup-Kollegen das durchaus zu. „Tommy hat sich sicher seine Ziele gesetzt und wird sich im Winter gut vorbereitet haben, damit er gut in die Saison startet. Dann ist sicher alles möglich.“ Auch Rainer Schüttler, mit dem er 2004 in Athen im Doppel olympisches Silber gewann, ist noch aktiv. Kiefer selbst hat sich anders entschieden - und ist damit glücklicher denn je.