Nadal-Aus in Australien überrascht nicht
Melbourne (dpa) - Rafael Nadal suchte gar nicht erst nach Ausreden. „Ich habe es ihm sehr einfach gemacht. Mit so einer Leistung kannst du im Viertelfinale eines Grand Slams nicht gewinnen“, sagte der Spanier nach dem fast schon demütigenden 2:6, 0:6, 6:7 (5:7) gegen den Tschechen Tomas Berdych.
Zum ersten Mal seit dem verlorenen Wimbledon-Finale 2006 gegen Roger Federer gab der 28 Jahre alte Nadal bei einem Grand-Slam-Turnier wieder einen Satz mit der Höchststrafe von 0:6 ab.
Dass sein langjähriger Dauerrivale bereits vier Tage zuvor die Rückreisetickets aus Melbourne in Gebrauch nehmen musste, war für Nadal nur ein schwacher Trost. Doch während das frühe Federer-Aus nach dessen erfolgreicher Saison 2014 und dem vielversprechenden Jahresauftakt 2015 mit dem Turniersieg in Brisbane Experten und Beobachter überraschte, verwundert die Nadal-Niederlage bei den Australian Open nicht.
Wieder und wieder hatte der Weltranglisten-Dritte vor der ersten Grand-Slam-Standortbestimmung des Jahres sich selbst aus der Favoritenrolle genommen. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich hier gewinnen kann. Stand heute sehe ich mich nicht in der Lage, das Turnier zu gewinnen“, hatte Nadal noch vor dem ersten Ballwechsel zu Protokoll gegeben - und sollte nach den 133 ungleichen Minuten gegen den biederen, aber sportlich humorlosen Berdych recht behalten.
Auch ein Ausnahmeathlet wie Nadal kann seinen Körper nicht überlisten und die durch Verletzungspausen verlorene Zeit zurückdrehen. Im vergangenen Jahr gewann der Linkshänder aus Mallorca zwar zum neunten Mal die French Open, verlor aber auch im Achtelfinale von Wimbledon gegen den australischen Teenager Nick Kyrgios. Er musste wegen einer Handgelenksverletzung lange pausieren, für die US Open absagen und wegen einer Blinddarm-Operation seine Saison früher beenden.
In der Vorbereitung auf das erste große Event 2015 blieben vor allem die peinliche 2:6, 0:6-Pleite bei einem Einladungsturnier gegen Olympiasieger Andy Murray in Abu Dhabi und das Erstrunden-Aus in Doha gegen den deutschen Qualifikanten Michael Berrer in Erinnerung.
Schon einmal stand Nadal in Melbourne kurz vor dem K.o., als er sich gegen den amerikanischen Qualifikanten Tim Smyczek nur mit sehr viel Mühe und nach fünf Sätzen in die dritte Runde quälte. Es folgten zwar klare Dreisatz-Erfolge gegen Dudi Sela und Kevin Anderson, doch die beängstigende Dominanz, die der Spanier an seinen besten Tagen auf dem Court verbreitet, strahlte er in diesen Turniertagen nicht aus.
Und gegen einen stark aufspielenden und nie nachlassenden Berdych reichte ein 70-Prozent-Nadal nicht. Am Anfang des dritten Satzes schluckte er eine Tablette und fasste sich zwischendurch an den Oberschenkel, verneinte aber physische Probleme. „Ich fühle mich okay“, sagte er und resümierte: „Ich habe nicht mein Bestes gespielt, er hat besser gespielt als ich und das war's. So ist der Sport.“
Nachdem er einen großen Schluck aus seiner Plastikwasserflasche genommen und sich mit vor der Brust verschränkten Armen in seinem Stuhl zurückgelehnt hatte, zog Nadal die Augenbrauen hoch und sagte: „Es ist nicht das erste Mal in meiner Karriere, dass ich verletzt war und mich schlecht gefühlt habe bei meinem Comeback. Wir stehen erst am Anfang der Saison. Ich muss die positiven Dinge mitnehmen.“