Physio-Casting statt Frührente: Haas macht weiter
New York (dpa) - Der Siegerjubel tat Tommy Haas sichtlich gut. Nachdem sein französischer Gegner Jonathan Dasnières de Veigy nach fast drei Stunden Spielzeit einen Volleystopp ins Netz verzog, ballte Haas energisch die Faust und reckte sie in Richtung seines neuen Coaches Carsten Arriens.
Der applaudierte seinem Schützling nach dem Auftaktsieg bei den US Open so begeistert wie die übrigen 2800 Tennis-Fans auf dem neu gebauten Court 17 in Flushing Meadows. „Als ich die Auslosung sah, dachte ich: Da geht doch was“, sagte der 33-jährige Haas am Montag (Ortszeit) nach dem 6:3, 6:4, 6:7 (5:7), 6:1 über seinen neun Jahre jüngeren Kontrahenten Dasnières de Veigy. Der Linkshänder ist nur die Nummer 247 der Welt und hatte sich erstmals für ein Grand-Slam-Hauptfeld qualifiziert. Philipp Kohlschreiber enttäuschte dagegen erneut beim 4:6, 1:6, 3:6 gegen den an Nummer 23 gesetzten Tschechen Radek Stepanek.
Auch Haas hatten viele nichts mehr zugetraut. Denn seit sich der gebürtige Hamburger, der nach einer Hüftoperation und Rückenproblemen 14 Monate pausieren musste, bei den French Open zurückgemeldet hatte, lief das Comeback ernüchternd. Nur zwei Siege und acht Niederlagen standen für den ehemaligen Weltranglisten-Zweiten zu Buche. Und so wurde vor den US Open schon über sein Karriereende geunkt. „Ich habe nie gesagt, dass ich nach New York aufhöre“, dementierte Haas mit Nachdruck, „das ist nicht mein letztes Turnier in diesem Jahr.“
Das Spiel des Wahl-Amerikaners erinnerte in keiner Weise an das eines abgehalfterten Profis kurz vor der Tennis-Rente. Arriens hat er als Coach bis zum Saisonende verpflichtet, nun sucht er händeringend einen guten Physiotherapeuten, der den geplagten Körper wettkampftauglich hält. „Das ist ganz schön schwierig, einen guten zu finden“, meinte Haas, „vielleicht muss ich einfach nochmal ein Casting organisieren wie vor zwei Jahren. Im 15-Minuten-Takt habe ich da welche vorsprechen lassen. Da waren schon krasse Typen dabei.“ Den Auftakt in New York überstand sein Körper ohne privaten Pfleger, so ist Haas zuversichtlich für sein Zweitrundenmatch gegen den Kolumbianer Alejandro Falla: „Ich bin schon etwas platt nach dem Match, aber ich werde alles tun, um fit zu sein.“
Daran arbeitet auch Philipp Petzschner. Der Bayreuther überraschte sich selbst, als er sein viereinhalbstündiges Erstrundenmatch gegen den Spanier Albert Ramos nicht nur mit 7:5, 6:7 (2:7), 6:3, 6:7 (5:7), 6:3 gewann, sondern es überhaupt durchstand. „Bei mir ist in Montreal Pfeiffersches Drüsenfieber festgestellt worden“, sagte Petzschner, „es ist Wahnsinn, dass ich das heute geschafft habe.“
Der Virus ist laut Petzschner inzwischen aus seinem Organismus verschwunden, er leidet jedoch noch an den Nachwirkungen: „Mein Ruhepuls lag 20 Minuten nach dem Match noch bei über 160, und ich habe mehr als eine Millionen Antikörper im Blut.“ Ob Petzschner noch gegen den Serben Janko Tipsarevic antreten kann, macht er davon abhängig, wie sich sein Körper von dem Marathon-Match erholen wird.
Für Kohlschreiber beginnt die Zwangspause nach desolater Leistung sofort. „Das war einfach schlecht von mir gespielt“, gab Kohlschreiber offen zu, „und ein Spieler wie Stepanek bricht mir gerade das Genick.“ Wie schon in Paris und Wimbledon war mit dem ersten Auftritt bereits Schluss, der auf Rang 47 abgerutschte Augsburger will sich allein aus der Krise befreien: „Das ist jetzt Chefsache. Ich weiß selbst, was ich falsch mache. Ich brauche in nächster Zeit keinen Trainer. Ich nehme es selbst in die Hand.“
Von den 13 Deutschen gewann am ersten Tag der US Open auch Julia Görges, die ihre deutsche Kollegin Kristina Barrois bezwang. Dagegen scheiterte Tobias Kamke klar am Amerikaner Mardy Fish.
US-Star Venus Williams, die erstmals seit 1997 nicht gesetzt ist, hatte beim 6:4, 6:3 keine Probleme mit der Russin Wesna Dolonz, die aufgrund des Wirbelsturms „Irene“ erst wenige Stunden vor Matchbeginn eingetroffen war. Roger Federer wirbelte beim 6:4, 6:3, 6:2 gegen den Kolumbianer Santiago Giraldo. Dagegen zitterte sich Mitfavoritin Maria Scharapowa mit 3:6, 7:5, 6:3 gegen die Britin Heather Watson in Runde zwei, Wimbledonsiegerin Petra Kvitova aus Tschechien scheiterte gar mit 6:7 (3:7), 3:6 an der Rumänin Alexandra Dulgheru.