Schweizer Fest: US-Open-Halbfinale Federer - Wawrinka
New York (dpa) - Ein anerkennender Blick, die Lippen kurz gespitzt: Roger Federer genügte eine winzige Geste, um bei den US Open seine große Wertschätzung für Landsmann und Halbfinalgegner Stan Wawrinka auszudrücken.
Als der selbst kaum geforderte Maestro auf dem Platz von Wawrinkas imposantem Viertelfinalsieg erfuhr, freute sich Federer auch für die Schweiz: Im Semifinale am Freitag und im Endspiel am Sonntag gibt es wieder Tennis-Festtage, von denen deutsche Fans seit Jahren nur träumen können. Immerhin: Boris Becker ist im Finale dabei, falls sein Schützling Novak Djokovic gegen Titelverteidiger Marin Cilic im Halbfinale auch im 14. Vergleich ungeschlagen bleibt.
Federer hat eine kaum minder beeindruckende 16:3-Bilanz gegen Wawrinka, doch die bislang letzte Niederlage im Viertelfinale der French Open tat dem 34-Jährigen besonders weh. Komisch sei es, gegeneinander zu spielen, bekannte der fünfmalige New-York-Champion, der dort endlich so gern in sein erstes Endspiel seit 2009 einziehen möchte. „Ich habe das Gefühl, dass wir uns irgendwo in unseren Köpfen treffen, bevor der Punkt gespielt wird“, erklärte Federer angesichts der genauen Kenntnis voneinander. Wahrscheinlich gehe es Wawrinka kaum anders. Emotional habe er weniger ein Probleme, unterstrich Federer nach dem 6:3, 6:3, 6:1 über den Franzosen Richard Gasquet.
„Wir sind beide nervös, wenn wir den Platz betreten. Früher war nur ich es“, sagte Wawrinka. „Das ist ein großer Unterschied. Es zeigt, dass er weiß, dass ich auf seinem Niveau spielen kann“, betonte der letztjährige Australian-Open-Sieger. Im Juni trat er mit dem French-Open-Triumph den Beweis an, dass der Erfolg von Melbourne kein einmaliger Ausrutscher nach oben war.
Nach dem unerwartet klaren 6:4, 6:4, 6:0 über den Südafrikaner Kevin Anderson - zuvor Bezwinger von Mitfavorit Andy Murray - hatte Wawrinka direkt auf dem Platz Federer als Besten der Tennis-Historie gewürdigt. Als er nach seiner schwachen Bilanz gefragt wurde, witzelte der 30-Jährige: „Ich will die Statistik nicht wissen.“ Doch sein Finalsieg im vorigen Jahr in Monte Carlo, das knappe Aus danach in Wimbledon, die Demonstration vor drei Monaten in Paris - all dies hat Wawrinka selbstbewusster gemacht und Federer Respekt eingeflößt.
Der Grand-Slam-Rekordsieger weiß, dass sein Partner vom Olympiasieg im Doppel 2008 und dem Davis-Cup-Gewinn im vorigen November ihn auch im Arthur-Ashe-Stadium wieder über den Platz jagen will - und es freut ihn. „Ich habe immer gedacht, dass er ein besserer Spieler ist, als er es tatsächlich war. Aber irgendetwas hat ihn vielleicht zurückgehalten“, meinte Federer. Der Weltranglisten-Fünfte aus der Westschweiz habe sich viel im Training erarbeitet, erklärte der Baseler. Wawrinka hat sich zudem genau angeschaut, was Topleute wie seinen Landsmann, Djokovic und Rafael Nadal so stark gemacht hat.
Federers Halbfinal-Bezwinger des Vorjahres, Marin Cilic, will bis zum Freitag endlich herausbekommen, wie er Novak Djokovic zum ersten Mal schlagen kann. „Das ist sicher das schwerste Match für mich. Wir hatten knappe Spiele in den vergangenen Jahren, aber ich habe die Formel noch nicht gefunden, damit ich eines gewinnen kann“, sagte der Titelverteidiger aus Kroatien. Dass es immer ein erstes Mal gibt, hat Wawrinka gegen Federer längst bewiesen.