Sensation in Wimbledon: Nadal scheitert an Kyrgios

London (dpa) - Seine Mütze hatte Rafael Nadal tief ins Gesicht gezogen. Mit verschränkten Armen saß der spanische Weltranglisten-Erste nach seinem sensationellen Achtelfinal-Aus in Wimbledon gegen den Nobody Nick Kyrgios vor der Presse und versuchte das Unerklärliche erklärlich zu machen.

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„Ich habe es versucht, ich habe verloren. Es ist kein Drama“, sagte der 28-Jährige. „Wenn du auf diesem Belag einen Gegner hast, der gut aufschlägt, hast du ein Problem.“

Sein Kontrahent war ein 19-jähriger Australier, der zum ersten Mal beim bedeutendsten Tennis-Turnier der Welt antrat. Nadal unterlag ihm am Dienstag in vier Sätzen mit 6:7 (5:7), 7:5, 6:7 (5:7), 3:6. Kyrgios wird in der Weltrangliste lediglich auf Platz 144 geführt. Nadal hat 14 Grand-Slam-Titel gewonnen und sich just zum neunten Mal zum Sandplatz-König bei den French Open in Paris gekrönt. Doch auf dem grünen Rasen von Wimbledon konnte der Favorit gegen den sensationell aufspielenden Kyrgios nicht bestehen. Die Wimbledon-Geschichte war um eine Riesenüberraschung reicher.

Seine Mutter habe in einem Interview gesagt, Nadal sei zu gut für ihn, erzählte der glückliche Sieger. „Ich war ein bisschen verärgert“, sagte Kyrgios. Es war das erste Mal seit 1992, dass ein Spieler außerhalb der Top 100 bei einer Grand-Slam-Veranstaltung die Nummer eins der Welt besiegt. Vor 22 Jahren unterlag Jim Courier aus den USA in der dritten Runde dem Weltranglisten-193. Andrej Olchowsky. Die Statistiker des Turniers fanden weitere bemerkenswerte Daten: Kyrgios ist zudem der erste Teenanger, der den Branchenbesten bei einem Grand Slam schlägt, seit Nadal 2005 mit 19 Jahren in Roland Garros Roger Federer besiegte.

Mit einem Ass verwandelte Kyrgios nach knapp drei Stunden den ersten Matchball, ließ ungläubig den Schläger fallen und führte ein kleines Tänzchen auf. Die Zuschauer konnten nicht glauben, was für eine Show sie auf dem Centre Court gerade erlebt hatten. Mit seinen Emotionen fesselte er das Publikum, auch die Menschen vor der Leinwand auf dem Henman Hill waren begeistert. „Es ist noch nicht wirklich in mein Bewusstsein eingesunken. Ich spielte wie im Rausch“, sagte der Sieger ungläubig in einer ersten Reaktion. „Ich bin jetzt noch total durcheinander.“

Kyrgios kam nur dank einer Wildcard ins Turnier. „Das ist der größte Sieg in meiner Karriere. Das werde ich nie vergessen. Das gibt mir Selbstvertrauen, wo auch immer ich spiele“, erklärte er. In der zweiten Runde war der junge Australier schon so gut wie ausgeschieden. Gegen den an 13 gesetzten Franzosen Richard Gasquet wehrte er neun Matchbälle ab und gewann 10:8 im fünften Satz.

Bei seiner Premiere in Wimbledon kämpft er nun am Mittwoch gegen den Kanadier Milos Raonic um den Halbfinaleinzug. Erstaunt nach der starken Darbietung zeigte sich auch BBC-Kommentator John McEnroe. „Absolut verblüffend“, meinte er und hält sogar einen Turniersieg für möglich. „Der letzte junge Spieler, bei dem ich das glaubte, war Boris Becker.“

Nadal freute sich unterdessen auf seinen Urlaub auf Mallorca. Schon wieder musste er bei dem Rasen-Klassiker an der Church Road ein frühes Aus hinnehmen. Seit 2011 wartet bei der Rasen-Veranstaltung auf seinen ersten Viertelfinaleinzug seit 2011. Im vergangenen Jahr scheiterte er in Runde eins gegen Steve Darcis aus Belgien, 2012 war für ihn gegen den Tschechen Lukas Rosol nach Runde zwei Schluss.