Tennis-Rebellin Li Na verabschiedet sich
Peking (dpa) - Chinas Tennisstar Li Na geht, wie sie gekommen ist - nach ihren eigenen Regeln.
Nicht mit großem Aufgebot an Parteifunktionären, sondern mit einem persönlichen Dankesbrief im Internet an ihre Fans und ihren Ehemann verabschiedet sich die 32-Jährige vom Spitzensport. „Ich gehe meinen Weg“, schrieb sie.
In China haben Athleten eine klar definierte Rolle: Sie kämpfen für die Volksrepublik und für die Partei. Li Na war eine der wenigen, die sich nie in diese Rolle pressen lassen wollte. Als erste Chinesin gewann sie 2011 bei den French Open. Ihr Triumph katapultierte sie in die höchsten Riegen chinesischer Spitzensportler. Aber treue Parteianhänger starteten immer wieder Attacken gegen sie.
Statt der Worthülsen von vielen Sportlern aus China, die sich nach jedem Erfolg artig bei der Partei bedanken, verbuchte Li Na ihre Siege als persönliche Erfolge. Sie ist unbequem für die Führung in Peking. Das lassen treue Parteianhänger die Sportlerin spüren. Vergangenes Jahr veröffentlichte das Parteiorgan „Volkszeitung“ einen Leitartikel, in dem Li Na scharf angegriffen wurde: „Wer kann diesem furchtbaren, launischen Wesen Einhalt gebieten?“
Der Angriff ließ viele Anhänger aber noch stärker zu ihrem Star stehen. Auf dem Twitter-ähnlichen Mikroblog Weibo folgen ihr mehr als 23 Millionen Nutzer. Viele verteidigten sie gegen die Attacken von Parteianhängern. Gerade weil sie sich nicht in eine Rolle pressen lassen will, und nicht Propagandasprüche nachplappert, wird sie von ihren Fans gefeiert. Aber Li Na versucht nicht gezielt eine kritische Position zu vertreten. „Ich will einfach nur Sport machen, und mir nicht reinreden lassen“, sagt sie.
Ihr Vater war Badminton-Spieler, aber das Chaos während der Kulturrevolution bereitete seiner Karriere ein frühes Ende. Als sie fünf Jahre alt war, schickte er seine Tochter in eine staatliche Sportschule. Der gnadenlose Drill setzte ihr zu. Sie war 14 Jahre alt, als ihr Vater starb. Aber weil sie gerade in einem Turnier stand, verschwieg ihr Trainer ihr die Todesnachricht für mehrere Tage. „Es war mein größter Schmerz, dass ich ihm nicht Lebewohl sagen konnte“, schrieb Li Na in ihrer Autobiografie.
Zwei Jahre später lernte sie ihre späteren Ehemann und langjährigen Trainer Jiang Shan kennen. Beziehungen zwischen jungen Sportlern waren in China streng verboten. Als ihr damaliger Coach davon erfuhr, versuchte er, die junge Liebe zu beenden. Zur gleichen Zeit versuchte er Li Na dazu zu drängen, mit Hormonpräparaten ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Das war für sie zu viel. Sie floh in einer Nacht aus der Sportschule.
Mit der Ansage, dass sie nur noch für sich selbst und nicht mehr für andere spielen werde, setzte sie dann ihre Karriere nach langem Zureden durch Freunde und Sportkollegen doch fort. Sie krönte ihren Erfolg mit dem Sieg in 2011 in Frankreich und legte in diesem Jahr mit ihrem zweiten Grand-Slam-Erfolg bei den Australian Open nach.
Ihr Rückzug aus dem Spitzensport ist dieses Mal jedoch endgültig. Daran lässt sie in ihrem Dankesbrief keinen Zweifel aufkommen. „Nach vier Operationen werden sich meine Knie nie wieder voll erholen können“, schreibt sie. Schweren Herzens müsse sie ihre Leidenschaft für das Profitennis aufgeben. Keine Dankesworte an die Partei verliert sie, sondern eine Liebesbekundung für ihren Ehemann: „Du bist alles für mich. Ich danke dir, dass ich mein Leben mit dir verbringen darf.“
Die Spielerinnen-Organisation WTA verneigte sich von Li Nas Leistungen. „Sie ist eine Pionierin, die Tennis zu Hunderten von Millionen Menschen in China und Asien gebracht hat“, schrieb WTA-Chefin Stacey Allaster in der Mitteilung und prophezeite, dass Li Nas Vermächtnis noch über Jahrzehnte in China nachwirken wird.