Jetzt also doch: Neuner hört nach WM-Saison auf
Leipzig (dpa) - Familie und Normalität sind Magdalena Neuner wichtiger als Ruhm und Geld. Im besten Athletenalter von gerade mal 24 Jahren hat das Covergirl des deutschen Biathlons ihr frühes Karriere-Ende angekündigt und dabei auf ihr Herz gehört.
„Ich habe mich entschieden: Nach dieser Saison werde ich meine Biathlonkarriere beenden“, teilte die Rekordweltmeisterin auf ihrer Homepage mit. Wenn sie nach dem Abschluss der kommenden Saison in Sport-Rente geht, ist sie 25. Eigentlich kein Alter um aufzuhören, andere fangen da gerade erst an. So wird die Saison 2011/2012 mit der Heim-WM in Ruhpolding als Höhepunkt zur Abschieds-Tournee von „Gold-Lena“.
Mit Superstar Neuner verliert nicht nur der Biathlon-Sport seine erfolgreichste Medaillensammlerin, sondern der deutsche Wintersport eines seiner größten Aushängeschilder. Die Lücke, die die Wallgauerin hinterlässt, wird riesig. „Sie ist eine Sympathieträgerin und ein großes Vorbild im deutschen Sport. Vor ihrer heute getroffenen persönlichen Entscheidung haben wir großen Respekt“, sagte Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), „ich wünsche ihr, dass sie die gerade begonnene Saison nun besonders positiv erleben und erfolgreich gestalten kann. Ich hoffe, ihr gelingt bei der WM in Ruhpolding ein goldenes Finale.“
Der deutsche Ober-Olympier hofft, dass Neuner nach ihrer Karriere im Deutschen Ski-Verband (DSV) und auch im deutschen Sport insgesamt weiter eine Rolle spielt. „Wir bedauern natürlich sehr, dass sie nur noch dieses eine Jahr aktiv sein wird“, meinte DSV-Präsident Alfons Hörmann, DSV-Generalsekretär Thomas Pfüller ergänzte: „Es ist klar, dass wir die Lücke, die sie nach dieser Saison hinterlassen wird, nur sehr schwer schließen können. Vor allem wenn man bedenkt, dass wir erst vor gut einem Jahr einen Generationswechsel im Biathlon-Team verkraften mussten.“ Biathlon-Weltverbandspräsident Anders Besseberg sagte: „Ich hätte sie gern noch bis zu den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi gesehen. Aber sie hat eine fantastische Karriere hinter sich, da muss man diese Entscheidung respektieren. Der Biathlon-Sport läuft weiter.“
Völlig überraschend kommt dieser Rücktritt nicht. Neuner hatte schon im vergangenen Jahr gesagt, nur noch von Saison zu Saison zu denken. „Ich habe es mir mit Sicherheit nicht leicht gemacht. Doch mittlerweile habe ich eine Entscheidung getroffen und habe einfach das Gefühl, dass die Zeit reif ist für eine Veränderung und mich nach dem Sport etwas Neues, ganz Tolles erwartet“, erklärte die Doppel-Olympiasiegerin, die dank ihrer offenen und sympathischen Art schnell zur begehrten Werbeträgerin und zur ersten Biathlon-Millionärin aufstieg.
Mit ausschlaggebend für diesen eher ungewöhnlichen Schritt ist ausgerechnet ihr grandioser und rasanter Erfolg. Zweimal Olympiasiegerin, zehnmal WM-Gold, zweimal Weltcup-Gesamtsiegerin, mehrere kleine Kristallkugeln, Siege auf allen Strecken - für den Fanliebling gibt es in ihrem Sport nichts mehr zu gewinnen. Neuner könnte zwar sämtliche Rekorde bei den Frauen brechen, aber das interessiert sie nicht.
Wichtiger als materielle Dinge sind für die heimatverbundene Bayerin Kinder, Familie und ein normales Leben. „Zum einen sehne ich mich nach Normalität, nach ein wenig mehr Ruhe und danach, einfach mal die Dinge machen zu können, die ich in meinem Sportlerleben nie machen konnte“, sagte die Zollbeamtin. „Zum anderen bin ich sehr motiviert, neue Dinge auszuprobieren. Und irgendwann spielt auch das Thema Familienplanung für mich eine Rolle“
Magdalena Neuner wird somit aller Voraussicht nach ihr letztes Rennen am 18. März beim Weltcup-Finale in Chanty-Mansijsk bestreiten - 38 Tage nach ihrem 25. Geburtstag am 9. Februar. In der sibirischen Stadt hat sie den letzten ihrer bislang zehn WM-Titel gewonnen.
Bei der Heim-Weltmeisterschaft vom 29. Februar bis 11. März in Ruhpolding will Deutschlands Sportlerin des Jahres 2007 nun sozusagen zum krönenden Abschluss ihrer Karriere in jedem der sechs Biathlon-Wettkämpfe eine Medaille gewinnen. „Jetzt freue ich mich erst einmal sehr auf den bevorstehenden Winter, vor allem natürlich auf die WM in Ruhpolding“, erklärte Neuner, deren Stern bei der WM 2007 in Antholz aufgegangen war. Dort hatte sie als jüngste Debütantin mit dem Sieg im Sprint ihr erste von drei Goldmedaillen gewonnen. Unvergessen auch ihr Verzicht auf die Staffel bei den Olympischen Spielen 2010, durch den ihre Teamkollegin Martina Beck bei ihrem letzten Olympia-Einsatz noch Bronze holte.
Ihre internationalen Konkurrentinnen bedauerten ihren Schritt. „Das ist sehr schade, sie wird definitiv fehlen. Aber sie hat alles gewonnen und man muss sehr viel investieren und auf viel verzichten“, sagte die finnische Weltcup-Gesamtsiegerin Kaisa Mäkäräinen der Nachrichtenagentur dpa.
Für Langlauf-Olympiasiegerin Claudia Nystad ist Neuners Entscheidung „charakterstark und handfest. Aber mich fröstelt es, wenn ich daran denke, dass Lena nicht mehr aktiv sein wird“, meinte sie. Ihr früherer Teamkollege, Weltmeister Axel Teichmann, zieht den Hut vor Neuner: „Ich hoffe, dass Lena auch zukünftig so ein ausgefülltes Leben führen kann wie sie das im Sport hatte.“