Null Tolerenz bei Doping Russland-Trainer Groß: Wer betrügt, fliegt raus
Pokljuka (dpa) - Russlands Biathleten sind bärenstark in die neue Saison gestartet. Anton Babikow gewann die Östersund-Verfolgung vor Maxim Zwetkow - die jungen Skijäger machen ihrem Trainer Ricco Groß viel Freude.
Der viermalige Olympiasieger ist - ausgestattet mit einem Dreijahresvertrag - seit 2015 Russland-Coach. Trotzdem wurde er im vergangenen Jahr nach der WM-Pleite in Oslo hart kritisiert. Doch das sieht er entspannt: „Die Diskussionen haben nur sehr wenige geführt. Ich sage das jetzt noch einmal überdeutlich: Unterm Strich hat sich die russische Mannschaft verbessert.“
Klar ist auch, dass angesichts der Doping-Problematik die jüngsten Erfolge mit Argwohn beäugt werden. Der 46-Jährige hat in den vergangenen anderthalb Jahren die meisten seiner Trainingskurse in Mitteleuropa abgehalten, um der Kritik der Dopingkontrolleure entgegenzuwirken. „Wir sind kontrolliert worden. Die Kontrollmaßnahmen waren nicht angekündigt.“
Ricco Groß, sind Sie als Trainer der russischen Biathleten immer noch in Feierstimmung nach dem Doppel-Erfolg beim Weltcup-Auftakt in Östersund?
RiccoGroß: Es geht ja in Pokljuka schon wieder weiter. Aber es war sicherlich ein großer Erfolg, der Sicherheit gibt. Mit dem ersten, zweiten, achten und 17. Platz im Verfolgungsrennen kann das ganze Team sehr zufrieden sein.
Haben Sie etwas anders gemacht, als in Ihrem ersten Trainer-Jahr?
Groß: Oft ist es ja so, dass ein Training erst im zweiten Jahr so richtig zum Tragen kommt. Wir haben sehr zielstrebig das Konzept vom letzten Jahr fortgeführt und im Sommer richtig gut gearbeitet.
Aber das kann ja nicht alles sein?
Groß: Wichtig war auch, dass sich die Trainer der verschiedenen Gruppen ein Stück weit abgesprochen haben, und dass man versucht hat, Nominierungskriterien so abzusprechen, dass sie auch fair sind. Es ist im russischen Biathlon endlich zu einem Miteinander gekommen.
Trotzdem gab es im letzten Jahr Diskussionen, auch über ihre Person. Inwieweit hat Sie das belastet?
Groß: Die Diskussionen haben nur sehr wenige geführt. Ich sage das jetzt noch einmal überdeutlich: Unterm Strich hat sich die russische Mannschaft verbessert. Im Nationencup sind wir von Platz vier auf Platz drei gekommen. Wir haben zwei Athleten im Gesamtweltcup im Top-Ten-Bereich. Wir haben einige Überraschungen geschafft. In Russland ist auch die Europameisterschaft sehr, sehr wichtig. Die wird in Deutschland zwar nur belächelt, aber da muss man auch erst einmal gewinnen. Und da waren wir sehr erfolgreich, genau wie im IBU-Cup. Dort geben die eher jüngeren Athleten den Ton an.
Wie schwierig ist es, in Russland Biathlon-Trainer zu sein?
Groß: Es ist eigentlich gar nicht schwierig, wenn die Kommunikation stimmt. Man muss ein Stück weit überzeugen, auch wissenschaftlich, dann kann man selbst ältere Trainerkollegen hinter sich bringen. Die sagen dann: Hey, das macht echt Sinn.
Und in Russland gibt es viele ältere Trainer ...
Groß: In Deutschland gibt es vier, fünf größere Stützpunkte, an denen man Biathlon betreiben kann. In Russland gibt es ein paar mehr Stützpunkte und naturgemäß auch viel mehr Trainer. Jeder versucht mit einem Athleten bis in die Weltspitze vorzudringen. Das ist vollkommen normal.
Wird auch mehr diskutiert?
Groß: Es gibt sehr viele Trainersitzungen, wo über ein Trainingsjahr diskutiert wird. Und dann wird es für gut oder schlecht befunden. Das ist sehr spannend, weil man auch von der anderen Seite von dem anderen Trainingssystem, von dem was bisher trainiert wurde, sehr viel mitbekommt. Wenn man genau aufpasst, genau zuhört, lernt man eine ganze Menge.
Auch über Doping? Was entgegnen Sie den Skeptikern, die einen Schatten über den russischen Biathlon-Erfolgen sehen?
Groß: Es ist immer etwas schade, wenn ein Generalverdacht besteht. Natürlich zeigen die jüngsten Ereignisse, dass nicht überall sauber gekämpft wird. Aber das ist kein russisches Problem, sondern ein weltweites. Viele andere Nationen oder andere Sportarten, speziell die Leichtathletik, haben Tiefschläge einstecken müssen. Radsport war schon relativ weit unten. So etwas darf mit dem Biathlonsport nicht passieren.
Haben Sie das auch Ihrem Team klargemacht?
Groß: Ich habe klipp und klar gesagt: Wenn einer bescheißt, fliegt er raus. Mit solchen Athleten kann und will ich einfach nichts zu tun haben. Ich habe in meiner Karriere stets den fairen Wettstreit gesucht und gehofft, dass ich immer gegen faire Gegner antreten darf. Dieses Prinzip ziehe ich auch als Trainer durch.
Haben Sie schon mal einen Athleten rausgeschmissen?
Groß: Nein, das habe ich noch nicht. Es gab auch noch keinen Grund.
Bei den Russen? Schwer zu glauben?
Groß: Ich habe versucht, in den letzten anderthalb Jahren die Trainingskurse in Mitteleuropa abzuhalten. Ein Kritikpunkt der WADA, seitens der Dopingkontrolleure war: Die Russen erwischt man ja nie. Wir waren den ganzen Sommer über in Mitteleuropa. Wir waren in Ruhpolding, wir waren in der Ramsau, in Obertilliach, waren noch mal in der Ramsau, dann in Oberhof. Es ist mir aber schwergefallen, die russischen Meisterschaften auch noch nach Deutschland oder Österreich zu verlegen. Das ging dann wirklich nicht, da waren wir tatsächlich mal zwei Wochen in Russland. Aber den größten Teil der Vorbereitung haben wir in Mitteleuropa absolviert. Und wird sind kontrolliert worden. Und die Kontrollmaßnahmen waren nicht angekündigt. Ich finde es gut, dass die Athleten auch damit konfrontiert werden, denn Kontrollen sind normal.
Wird Doping in Ihrem Team thematisiert?
Groß: Wir haben natürlich darüber gesprochen. Da habe ich meine Meinung klipp und klar gesagt. Da habe ich klargemacht, dass ich strikt dagegen bin. Wer so etwas macht, der fliegt raus. Das ist eine ganz klare Ansage.
Der zweite Teil des McLaren-Reports wird am Freitag veröffentlich. Ist das in Ihrer Mannschaft ein Thema?
Groß: Es wird sicherlich ein Stück weit diskutiert. Mich persönlich geht es aber relativ wenig an. Klar, es betrifft mich, weil noch einige Athleten aus dieser Zeit momentan aktiv sind. Aber ich bin erst seit letztem Jahr Trainer. Was vorher geschehen ist, da habe ich keinen Einblick.
Wie lange sind Sie denn noch Trainer bei den Russen?
Groß: Ich habe einen Dreijahresvertrag, der noch bis nach Olympia läuft.
Gibt es Zielvorgaben für die Winterspiele in Pyeongchang? Fünf Goldmedaillen oder so?
Groß: Wenn man in der Staffel gewinnt, sind es schon mal vier. Im Ernst: Es gibt keine direkten Vorgaben. Wir wollen natürlich um die Medaillen mitkämpfen. Wir wollen ein Stück weit an die letzte Woche in Östersund anknüpfen. Wir wollen in jedem Rennen um das Podium mitkämpfen. Das Potenzial steckt in der Mannschaft. Es wäre schön, wenn wir es auch ausschöpfen könnten.
Groß: Gibt es Erfolgsprämien für den Trainer Groß?
Ich habe mir angewöhnt, über Vertragsinhalte nicht zu reden.
Groß: Wie verständigen Sie sich eigentlich mit Ihrem Team?
Ein paar Brocken russisch kann ich, ganz klar. Die Jungs sprechen auch russisch mit mir, das finde ich richtig gut. Englisch ist auch noch eine gute Kommunikationsebene. Und wenn alle Stricke reißen: Hände und Füße gibt es auch noch.
Aber ganz ohne Dolmetscher arbeiten Sie nicht?
Groß: Klar, in gewissen Momenten ist er dabei. Gerade, wenn es um psychologische Sachen geht, um die komplette Wettkampfeinstellung, da ist der Dolmetscher sehr wichtig.
Verraten Sie Ihren Heißmacher-Spruch?
Groß: Es geht nicht darum, die Jungs heiß zu machen. Ganz im Gegenteil, manchmal ist es besser, ein Stück weit zu beruhigen. Wichtig ist, dass sie Vertrauen spüren. Sie wissen mittlerweile, sie können sich auch mal ein schlechtes Ergebnis leisten. Früher hieß es: Ein schlechtes Weltcup-Rennen und ab nach Hause, weiter geht es im Russland-Cup. Das haben wir geändert. Ich finde: Kontinuität bringt Vertrauen. Das versuchen wir ein Stück weit zu installieren.
ZUR PERSON: Mit vier Goldmedaillen, drei Silbermedaillen und einer Bronzemedaille ist Ricco Groß der erfolgreichste deutsche männliche Athlet bei Olympischen Winterspielen. Seit letzter Saison ist der neunmalige Weltmeister und ehemalige Coach der deutschen Biathlon-Frauen neuer Trainer der russischen Biathlon-Männer.