ISU: Anomalie kann Pechsteins Werte nicht erklären

Berlin (dpa) - Nach der erneuten Selbstanzeige von Eisschnelllauf- Olympiasiegerin Claudia Pechstein hat der Eislauf-Weltverband ISU zur Gegenoffensive ausgeholt und Diagnosen von Blut-Experten bestritten, die Pechsteins schwankende Werte mit einer vererbten Blutanomalie erklärten.

Die Selbstanzeige von Claudia Pechstein bewertet die ISU als „Irreführung der Medien und der Öffentlichkeit“.

Die ISU hatte erklärt, Ausführungen der Experten enthielten „keine Hinweise, die das Blutprofil und die Retikulozytenwerte wie solche von Claudia Pechstein erklären könnten“, hieß es in einer Pressemitteilung der ISU vom Montag. Die medizinischen Fachleute des Weltverbandes seien überzeugt, dass die „angeblich diagnostizierte, sehr milde Anomalie, nicht Pechsteins extrem hohen Retikulozyten-Werte und die sich anschließenden raschen Rückgänge erklären können“. Pechsteins Anwalt Thomas Summerer verwahrte sich gegen die neue Strategie des Weltverbandes. „Die ISU steht mit dem Rücken zur Wand. Das ist deutlich zu spüren. Der Gegenwind, den sie aus ihren eigenen Reihen erfährt, lässt sie plötzlich hektisch werden“, erklärte der Münchner. Bei allen Ausführungen vergesse der Weltverband aber das Wesentliche: „Bis heute hat er keinen Beweis für ein Dopingvergehen von Claudia Pechstein vorlegen können. Es gibt keinen Experten, der erklären kann, wie das Blutbild Claudia Pechsteins durch Doping entstanden sein soll“, sagte Summerer.

Nach ihrer zweijährigen Sperre zwischen 2009 und 2011 versucht die 41 Jahre alte Olympiasiegerin aus Berlin derzeit mit einer Klage vor dem Landgericht München, ihren Ruf wieder herzustellen und den Weltverband für eine Fehlentscheidung haftbar zu machen. In ihrer am 13. Oktober eingereichten neuerlichen Selbstanzeige beklagte Pechstein, dass die ISU erhöhte Retikulozyten-Werte auch beim Weltcup am 10. und 11. Dezember 2009 in Salt Lake City gemessen hatte, ohne ein erneutes Verfahren gegen sie einzuleiten.

In den Verhandlungen vor dem Sportgerichtshof CAS hatte die ISU eine Anomalie bei Pechstein grundsätzlich ausgeschlossen und begründet, die Werte könnten nur durch Doping erzielt worden sein. Der Verband habe nun dem Münchner Gericht ein Diagramm mit den vier höchsten Retikulozyten-Werten Pechsteins vor der Sperre 2009 vorgelegt, die durchweg bei wichtigen Wettkämpfe gemessen wurden.

„Überraschend ist nun zu beachten, dass die Retikulozyten-Werte seit April 2011 stabil in einem normalen Bereich liegen, so dass die angebliche Blut-Erkrankung plötzlich und auf wundersame Weise verschwunden ist“, hieß es von der ISU. Dass aber seit April 2011 auch eine neues Messgerät (Sysmex statt Advia) mit anderen Grenzwerten zum Einsatz kommt, wird nicht erwähnt. Zudem kritiseierte die ISU die massiven Angriffe Pechsteins gegen die Zuständigkeit des Sportgerichtshofes CAS.

Summerer konterte: „Es gibt mittlerweile mehr als ein Dutzend renommierter Hämatologen aus vier Nationen, die bestätigen, dass die Retikulozytenwerte von Claudia Pechstein vollumfänglich durch eine vom Vater vererbte Blutanomalie erklärbar sind. Selbst der ISU-Gutachter Alberto Zanella hat diese Diagnose des Münchner Spezialisten Stefan Eber bestätigt. Da sind die öffentlich geäußerten Zweifel der ISU nicht mehr als ein Pfeifen im Wald.“