Skilanglauf-Bundestrainer Behle tritt zurück
Leipzig (dpa) - Jochen Behle hat völlig unvermittelt seinen Rücktritt als Langlauf-Bundestrainer erklärt und damit Athleten wie Ski-Kollegen schockiert.
„Das ist der Hammer. Ich kann es gar nicht glauben und weiß gar nicht, was ich sagen soll“, erklärte Ex-Weltmeister Axel Teichmann vollkommen perplex. Und auch Olympiasiegerin Evi Sachenbacher-Stehle war völlig verdutzt: „Das schockt mich jetzt. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Es gab nicht einmal gerüchteweise Andeutungen.“
Offenbar demotiviert hat Jochen Behle ein Jahr vor der nordischen Ski-WM in Val di Fiemme seinen Posten verlassen. „Ich hatte in den vergangenen Jahren immer den Eindruck, etwas bewegen zu können. Dieses Gefühl habe ich nicht mehr und es ist daher Zeit für einen Neuanfang im deutschen Langlauf“, erklärte der 51-Jährige im Anschluss an die Cheftrainertagung des Deutschen Skiverbandes (DSV) in bayrischen Bad Griesbach.
„Ab sofort bin ich Privatier. Das heißt, ich werde auch nicht in absehbarer Zeit als Trainer aktiv sein“, sagte Behle der Nachrichtenagentur dpa. Er freue sich „auch mal darauf, etwas die Beine baumeln lassen zu können“, fügte er hinzu.
In dem Kurort unweit von Passau hatte der einstige Langläufer auch seine Kollegen mit seiner Demission überrascht. „Das war eine Entscheidung, die über Nacht gewachsen ist. Sie muss aus dem Bauch heraus gekommen sein. Auch wir waren völlig überrascht davon“, berichtete Kombinierer-Bundestrainer Hermann Weinbuch. Er schätzte Behle als Kollegen, der immer seine Meinung gesagt und konsequent seinen Weg gegangen ist. „Mit dieser Konsequenz hat er die Sache jetzt beendet.“ Und Janko Neuber, Langlauf-Coach der Frauen, reagierte ratlos. „Ich habe es mittags von Jochen erfahren und bin noch ziemlich neben mir“, bekannte er.
Der DSV bemüht sich derweil um Schadensbegrenzung und erweckt den Eindruck, bereits die Suche nach einem Nachfolger für Behle aufgenommen zu haben. „Wir führen derzeit mit einigen geeigneten Kandidaten Gespräche“, erklärte DSV-Generalsekretär Thomas Pfüller. Er bedankte sich für die von Jochen Behle in den vergangenen zehn Jahren geleistete Arbeit. „Jochen Behle hat über die vergangenen zwölf Jahre als Disziplin- und Bundestrainer hervorragende Arbeit geleistet und den deutschen Langlauf geprägt“, lobte er.
Immerhin war es Behle zu verdanken, dass sich der Skilanglauf medial dem schier übermächtigen Biathlon angenähert hat. Als ständiger Interviewpartner selbst während des Wettkampfes an der Strecke war er omnipräsent. Und seine Sportler führte er zu den ersehnten Erfolgen. Rene Sommerfeldt, Axel Teichmann sowie zweimal Tobias Angerer gewannen jeweils den Gesamtweltcup.
Bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver holten Claudia Nystad und Evi Sachenbacher-Stehle Gold im Teamsprint. Angerer in der Doppelverfolgung sowie Teichmann und Tim Tscharnke im Teamsprint gewannen jeweils Olympia-Silber. Vor dieser Saison gingen Athleten wie Angerer, Teichmann, Jens Filbrich und Sachenbacher-Stehle jedoch beim Training zunehmend eigene Wege. Diese „Sonderlösungen“ hätten sich „zum Teil nicht bewährt“, urteilte Behle.
„Mein Credo war immer der Teamgedanke. Und ich bin nach dieser Saison zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht mehr so gegeben ist, wie ich mir das vorstelle“, sagte der frühere Weltklasse-Athlet. Er versicherte jedoch, sein Rückzug habe nichts mit dem Wirbel um die Bemühungen des DSV, Langläufer zu Biathleten umzuschulen, zu tun. „Jochen hat den Langlauf in Deutschland geprägt und dahin gebracht, wo er jetzt ist. Die Erfolge der Vergangenheit sind auch seine Erfolge“, meinte Janko Neuber.