Reglement hält Skispringer in Atem
Lillehammer (dpa) - Der Aufschrei war groß, als der Skiweltverband FIS praktisch über Nacht und ohne große Diskussionen im Frühsommer das Reglement für die Anzüge der Skispringer änderte.
Die einen sprachen von Behinderungen, die anderen von größerer Gefahr. Nach dem ersten Weltcup-Wochenende des Winters ist es ruhiger um das Thema geworden, beendet ist es aber noch lange nicht.
Um die Weitenjagd einzudämmen, dürfen die neuen Anzüge nur noch zwei Zentimeter vom Körper abstehen. Damit wird den Athleten ein Großteil der Auflagefläche entzogen. Der starke Abspringer ist im Vorteil. Dieses Ziel, das scheint festzustehen, wurde für das Erste erreicht.
Doch es gibt ungelöste Probleme. Denn die Messmethode ist umstritten. Eine Materialprobe per Greifen dürfte noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, denn Millimeterabweichungen sind so nicht zu finden. Auch die Anzugstoffe sind ein Diskussionsthema. Nach mehrmaligem Gebrauch weiten sich die Springeranzüge, sind somit ab einer bestimmten Zeit unbrauchbar. Selbst die Ernährung der Sportler ist nicht unproblematisch, denn die Anzüge sind nun maßgeschneidert. Isst oder trinkt ein Athlet vor dem Wettkampf mehr oder weniger, ändert sich auch sein Körperumfang - wenn auch nur minimal. Doch das kann schon zu einer Disqualifikation führen.
Fakt ist: die einzelnen Nationen beziehungsweise Sportler versuchen, das Reglement auszureizen und schlagen dabei auch schon mal über die Stränge. In Lillehammer wurden prominente Athleten mit nicht regelkonformen Anzügen erwischt und ausgeschlossen. Im Fall des österreichischen Springers Andreas Kofler traf es im Mixed-Wettbewerb das gesamte Team. Der norwegische Kombinierer Mikka Kokslien versuchte mit einem geöffneten Reißverschluss eine größere Auflagefläche während des Sprungs zu bekommen und wurde ertappt. Und auch Andreas Wank aus Oberhof überstand vor dem Springen von der Großschanze die Kontrolle nicht. „Der neue Anzug war etwas zu groß. Ich bin ja dafür, dass streng kontrolliert wird. Blöd nur, wenn es mich trifft“, meinte der Thüringer.
Die deutschen Kombinierer glauben, dass sie das neue Reglement zu genau nehmen - ganz im Gegensatz zu anderen Nationen. „Hier müssen wir noch mal tätig werden“, kündigte Bundestrainer Hermann Weinbuch an, ohne genau zu sagen, was man bei anderen gesehen haben will.
Völlig entspannt geht Deutschlands Vorzeigespringer Severin Freund mit der Sache um. „Als die neue Verordnung kam, war ich krank und hatte andere Probleme, als mich intensiv darum zu kümmern. Ich gehörte zwar zu denen, die geschimpft haben, aber richtig auseinandergesetzt habe ich mich damals damit nicht. Und als ich dann selbst wieder springen konnte, habe ich keinen großen Unterschied gemerkt. Mir taugen die neuen Anzüge“, sagte der Rastbüchler. Sein Sieg beim Auftaktspringen am Samstag bestätigte das.