Trendsetter Savchenko/Szolkowy - Ärger über Jury
Nizza (dpa) - Ein Küsschen für Aljona Savchenko, ein Schulterklopfer für Robin Szolkowy, doch dann ließ Ingo Steuer seinen Ärger heraus: „Nur einen Punkt vor den Chinesen, das ist unglaublich“, schimpfte der Coach, „Eiskunstlauf bleibt eben Eiskunstlauf.“
Obwohl die dreimaligen Weltmeister aus Sachsen als Trendsetter in den künstlerischen Komponenten gelten, zollte ihnen das Preisgericht am Mittwoch in Nizza mit 68,63 Punkten nicht die erhoffte Anerkennung gegenüber den ärgsten Verfolgern Pang Qing/Tong Jian (67,10). Das kann in der Kür am Freitag richtig eng werden.
Es zahlte sich aus, was das Chemnitzer Trio seit Saisonbeginn predigt: Im Sprungrepertoire müssen sie draufsatteln und unumstrittene Punkte für den technischen Wert sammeln. Alles andere können sie nicht beeinflussen. Die frühere B-Note sieht jede Jury anders - je nachdem, wie sie besetzt ist. Und mit dem neuen dreifach geworfenen Axel haben die viermaligen Europameister der internationalen Konkurrenz nun etwas vorgesetzt, das erst einmal bei Olympia 2006 einem amerikanischen Paar im Wettkampf gelang.
So emotional Steuer an der Bande die Faust ballte, als der Eingangssprung im Palais des Expositions gelang, so sehr spielten sie hinterher die kleine Sensation herunter. „Paarlaufen ist einfach gefährlich, da ist der Axel nichts anderes“, behauptete die 28 Jahre alte Savchenko, „wenn Du nichts riskierst, gewinnst du nichts“. Zuvor war sie mit kleinen Schaumstoffpölsterchen unter der blickdichten, hautfarbenen Strumpfhose aufs Eis gegangen. „Am Anfang ist Aljona richtig auf das Eis aufgeschlagen, inzwischen sind wir technisch aber viel sauberer“, berichtete der 32-jährige Szolkowy über den langwierigen Übungsprozess seit mehr als einem Jahr.
Mit dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaften in Leipzig wurden die Bewegungsabläufe bis ins kleinste Detail abgestimmt. „Wir wollen trotz des relativ hohen Alters an die Grenzen und darüber hinausgehen“, sagt Steuer, „wir können uns vorstellen, dass 2014 bei Olympia in Sotschi auch andere das versuchen“.
„Sie sind technisch sehr stark“, bestätigte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU), „und zudem sehr mutig. Denn sie hätten auch taktisch auf Sicherheit laufen können.“ Ein Sturz bei der Todesspirale hatte die aktuellen Europameister und Vize-Weltmeister von 2011, Tatjana Wolososchar und Maxim Trankow aus Russland, aus dem Rennen geworfen. Im neuen Wertungssystem werden Fehler gnadenlos bestraft.
Nach der außergewöhnlichen Leistung durften sich Savchenko/Szolkowy am freien Tag vor der Kür sogar etwas schonen. „Wir trainieren nur einmal, dann darf jeder entspannen, wie er will“, lautete die Ansage von Steuer. Ein Ausflug an den Stadtstrand von Nizza etwa? „Nein, das interessiert mich nicht“, so Savchenko, deren Konzentration auf die Vorbereitung der aufwendigen Ballett-Kür „Pina“ nach dem Film von Wim Wenders gerichtet war.
Szolkowy dagegen liebäugelte schon mit den kleinen Vergnügungen der Cote d'Azur: „Ja, es ist schon schwer, die Spannung hoch zu halten, wenn alle in Flipflops rumlaufen. Ich war schon einmal hier am Strand, es war wunderschön.“ An den Prozesstermin vor dem Chemnitzer Verwaltungsgericht, wo am Donnerstag seine Rückkehr in die Bundeswehr abgelehnt wurde, wollte er zunächst gar nicht denken. Die negative Entscheidung traf ihn dann aber hart: „Ich bin froh, dass meine Anwältin Karla Vogt-Röller mich vertritt. Ich wäre dort viel zu emotional gewesen, weil es meine Existenz betrifft“, sagte Szolkowy der Nachrichtenagentur dpa.