6,3 Prozent mehr Geld für öffentlichen Dienst

Potsdam (dpa) - Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst ist nach gut 40-stündigem Verhandlungspoker zu Ende. Die zwei Millionen Beschäftigten in den Kommunen und beim Bund erhalten über die nächsten zwei Jahre in mehreren Stufen insgesamt 6,3 Prozent mehr Geld.

Arbeitgeber und Gewerkschaften verständigten sich in Potsdam am Samstagmorgen auf einen neuen Tarifvertrag. Mit dem ersten wichtigen Tarifabschluss dieses Jahres ist der angedrohte unbefristete Streik vom Tisch. Auch eine Schlichtung ist nicht mehr nötig.

Die Gehälter sollen nach dem vereinbarten Stufenplan rückwirkend zum 1. März um 3,5 Prozent steigen. Weitere Erhöhungen von jeweils 1,4 Prozent folgen dann im Januar und im August 2013. Bei Berücksichtigung von Zins und Zinseszinsen kommt man am Ende sogar auf eine Erhöhung von 6,41 Prozent. Die Gewerkschaften - Verdi und die dbb-Tarifunion des Beamtenbundes - hatten 6,5 Prozent mehr Geld verlangt, mindestens aber 200 Euro pro Monat - bei einjähriger Laufzeit des Tarifvertrages. Diese Forderung konnte Verdi nicht durchsetzen.

Verdi-Chef Frank Bsirske machte dafür den massiven Widerstand der Arbeitgeber verantwortlich. „Die kategorische Weigerung der Arbeitgeber, einem Mindestbetrag zuzustimmen, ist außerordentlich bedauerlich, weil gerade untere Einkommensgruppen durch Preissteigerungen stärker belastet wurden.“

Um den Druck auf die Arbeitgeber vor der dritten Runde in Potsdam zu erhöhen, hatten sich mehr als 200 000 Beschäftigte an zwei Warnstreikwellen im öffentlichen Dienst beteiligt. Bsirske sagte, der Abschluss wäre ohne die große Entschlossenheit der Streikenden in den vergangenen Wochen nicht möglich gewesen. So sei es gelungen, „die Reallöhne für 2012 und 2013 nachhaltig zu sichern“.

Der Vorsitzende der dbb-Tarifunion, Frank Stöhr, sagte, die Beschäftigten hielten Anschluss an die allgemeine Lohnentwicklung. Alles andere wäre nicht nur ungerecht, sondern hätte die Anwerbung von qualifizierten Nachwuchs für den öffentlichen Dienst gefährdet.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte sich positiv: „Wir wollen die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes auch ordentlich bezahlen.“ Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach von einem Erfolg für die Arbeitnehmer: „Nach der Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre haben die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ihren gerechten Anteil erstritten.“

Der Präsident der kommunalen Arbeitgebervereinigung, Thomas Böhle, und auch Friedrich betonten, sie seien angesichts der öffentlichen Haushaltslage „bis an die Schmerzgrenze“ gegangen. Weitere Streiks seien dadurch aber vermieden worden. Zugleich gebe die Laufzeit von 24 Monaten den Arbeitgebern Planungssicherheit.

Die Kommunen bezifferten ihre Mehrausgaben durch den Tarifvertrag mit rund 4,3 Milliarden Euro (ab 2013). Beim Bund schlägt der Abschluss mit 550 Millionen Euro zu Buche. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Samstag in Kopenhagen nach Ende eines zweitägigen EU-Finanzministertreffens: „Es ist ein Ergebnis, das geht an die Grenzen der Belastbarkeit für die Haushalte des Bundes und der Kommunen, aber es ist insgesamt ein vertretbares Ergebnis.“ Es sei gut, dass dem Land ein wochenlanger Arbeitskampf erspart worden sei.

In mehr als 40 Verhandlungsstunden seit Mittwoch hatte eine kleine Gruppe von Spitzenfunktionären der Arbeitgeber und der Gewerkschaften in Potsdam die Einigungschancen für das neue Tarifwerk ausgelotet. Die Annahme des Vertragsentwurfs blieb bis zuletzt in der Schwebe. Die Gewerkschaft Verdi benötigte in der Nacht zum Samstag noch einmal sieben Stunden Diskussion, bis die große Tarifkommission mit knapper Mehrheit zustimmte. Vom 11. bis 25. April sollen nun noch die Mitglieder entscheiden sie, ob sie das Ergebnis akzeptieren oder nicht. Erst dann wird der neue Tarifvertrag unterschrieben.

Der Abschluss sieht auch Verbesserungen für Auszubildende vor. In zwei Stufen steigt die Ausbildungsvergütung um insgesamt 90 Euro. Künftig sollen sie nach einjähriger Bewährungszeit eine Festanstellung bekommen. Beschäftigte an Flughäfen mit mindestens fünf Millionen Passagieren im Jahr 2012 erhalten eine Sonderzahlung von 600 Euro. Bei Flughäfen mit weniger Passagieren gibt es 200 Euro.

Auch die Urlaubsregelung wurde vereinheitlicht. Neueingestellte bekommen künftig einheitlich 29 Tage Urlaub pro Jahr. Erst ab 55 gibt es jetzt 30 Tage Urlaub. Für bisher schon Beschäftigte gilt eine Besitzstandsklausel. Das Bundesarbeitsgericht hatte kürzlich die Lebensalter-Staffel beim Urlaub für nichtig erklärt, weil Jüngere damit gegenüber Älteren mit längeren Ansprüchen diskriminiert würden. Der Deutsche Städtetag, der nicht an den Verhandlungen beteiligt war, begrüßte die neue Urlaubsregelung, die der neuen Rechtsprechung Rechnung trage.