Ägypter demonstrieren in Berlin
Berlin (dpa) - Rund vier Flugstunden von Kairo scheint die Berliner Wintersonne auf die rot-weiß-schwarze Nationalfahne. Etwa 250 Ägypter demonstrieren am Samstag in der deutschen Hauptstadt, um Solidarität mit den Aufständischen in der Heimat zu zeigen.
„Gestern Tunesien, heute Ägypten“ steht auf einem Plakat bei der Kundgebung nahe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Dass die Proteste in Kairo, Alexandria und anderen Städten gegen die Landgzeitherrschaft des Präsidenten Husni Mubarak erfolgreich sein könnten, glauben hier die meisten. Und auch vor der ägyptischen Botschaft demonstrieren einige Landsleute.
Etwa 1700 Ägypter leben in Berlin. „Schlimmer kann es in meiner Heimat nicht mehr werden“, sagt ein etwa 35-Jähriger auf einer der beiden Kundgebungen. Sie wurde von einem deutsch-ägyptischen Kulturverein kurzfristig organisiert. „Keine Arbeit, Leute verschwinden einfach und werden von der Polizei gefoltert oder getötet. Wir sind eigentlich ein friedliches Volk.“ Und ja, er wolle die Menschen in Kairo, Alexandria oder Suez unterstützen.
Am Freitagabend habe er auch mit seinem Bruder telefonieren können, über ein deutsches Mobilnetz. „Das hat noch funktioniert.“ Die ägyptische Regierung hatte am Freitag Internet- und Telefonverbindungen gekappt. Seiner Familie, die in einer Stadt rund 150 Kilometer von Kairo entfernt lebt, gehe es gut. Er glaube fest daran, dass der ägyptische Staatspräsident bald zurücktritt.
Ein Redner versucht die Mit-Demonstranten mit Rufen anzufeuern. „Die Revolution wird siegen! Freiheit für Ägypten! Mubarak, wir sind arm geworden! Was haben Sie mit unserem Geld gemacht?“ schallt es laut über den Platz neben der Gedächtniskirche.
Zwei etwa 20-Jährige halten eine ägyptische Fahne. Alle seine Verwandten hätten sich bei den Protesten engagiert, erzählt einer der beiden. Er sei aber trotzdem froh, gerade nicht in Ägypten zu sein. „Ich werde die Revolution hier unterstützen.“
Die dramatischen Ereignisse in der Ferne sind auch Gesprächsthema in einem Café-Bistro im Stadtteil Kreuzberg. Am Nachmittag ist es noch nicht voll in dem Lokal. Mit seinen Verwandten stehe er in ständigem Kontakt per Telefon, erzählt der 51-jährige Angestellte, der vor mehr als 25 Jahren aus Kairo nach Deutschland kam. Als riesiger Massenaufstand erschienen ihm die Unruhen in der Millionenmetropole am Nil vorerst aber noch nicht.
Bei starkem Kaffee und Wasserpfeife blicken einige Gäste gespannt auf einen Bildschirm, auf dem der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira und das staatliche ägyptische Fernsehen laufen. Gerade ist eine Rauchsäule zu sehen, die über Gebäuden aufsteigt. Man mache sich natürlich Gedanken, meint ein Palästinenser, der nach eigenen Worten regelmäßig in Ägypten unterwegs ist. Autoritäre Herrscher gebe es im gesamten arabischen Raum. „Wir haben die Schnauze voll von den Diktatoren“, sagt er.
Und auch ein älterer Jordanier hat zuvor auf der Kundgebung den Bogen über Ägypten hinaus gespannt. „Ja, Mubarak muss weg“, ruft er. Aber: „Wir haben das gleiche Problem wie in Ägypten. Die Leute sagen, es reicht. Es geht uns um die Demokratie.“