Ärzte warnen vor Tod der freien Medizin
Nürnberg (dpa) - Eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl stemmen sich die Ärzte mit ganzer Kraft gegen grundsätzliche Reformen für das Gesundheitswesen.
Im Schulterschluss mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) forderte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery zur Eröffnung des Deutschen Ärztetags, die private Krankenversicherung (PKV) in heutiger Form zu erhalten. Montgomery warnte vor der Umsetzung von SPD-Forderungen im Kampf gegen Korruption im Gesundheitswesen oder gegen Selbstzahler-Leistungen in Praxen.
„Das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten soll unterminiert, ausgehöhlt und zerstört werden“, sagte Montgomery am Dienstag in Nürnberg vor 1100 Gästen. Aus einer Ideologie des Misstrauens gegen die Mediziner heraus solle die Freiheit der Arzt-Patienten-Beziehung von einer Bevormundung durch Staat und Kassen verdrängt werden, sagte er an die Adresse der Opposition.
Montgomery wies auch auf ein mit Spannung erwartetes Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs hin, bei dem es darum geht, ob Ärzte sich als Beauftragte der Kassen der Korruption schuldig machen können. „Das wäre der Tod jeder freien Medizin.“ Ein SPD-Antrag gegen Korruption in Praxen und Kliniken diene dem Abbau von Freiheit. Nähmen Ärzte unrechtmäßig Geld, müsse das mit dem geltenden Berufsrecht geahndet werden.
Insbesondere gegen die Pläne von SPD, Grünen und Linken für eine Bürgerversicherung für möglichst alle Menschen ziehen die Ärzte zu Felde. Weniger Leistungen, weniger Neuerungen und mehr Zwei-Klassen-Medizin mit besserer Versorgung für Gutverdiener wäre die Folge, warnte Montgomery.
Mit auffällig deckungsgleichen Argumenten in zentralen Punkten zog Bahr die Ärzte auf seine Seite. So forderte der FDP-Minister die PKV zum Abstellen von Fehlentwicklungen auf, um die Zweiteilung in private und gesetzliche Versicherung (GKV) im Grundsatz zu erhalten. Die Privatkassen sollten keine billigen Lockangebote mehr für junge Gesunde machen. Diese Rosinenpickerei schade der Branche.
Zugleich verteidigte Bahr die Teilung in PKV und GKV. „Wer eine Einheitskasse als Lösung für die demografischen Herausforderungen beschreibt, der verkennt, dass das Patienten zum Bittsteller macht einer staatlich gelenkten Mangelversicherung.“
Montgomery wie Bahr forderten, den Großteil der Milliardenüberschüsse der GKV für schlechte Zeiten zu verwahren. „Das ist ja für einen Gesundheitsminister eine ganz neue Situation, dass nicht er beim Finanzminister anklopfen muss, sondern dass es umgekehrt ist“, sagte Bahr. Dies solle möglichst lange so bleiben. Auf die Praxisgebühr von zehn Euro könne aber verzichtet werden. Auch Montgomery sagte: „Sie bringt keinen messbaren Effekt.“ Die CDU lehnt die Abschaffung der Gebühr ab.
Bahr forderte die Ärzte auf, nicht übertrieben viele Selbstzahler-Leistungen an Patienten zu verkaufen. Wie die Ärzte lehnte er die von der SPD geforderte radikale Eindämmung aber ab. Der Minister kündigte an, mit dem Patientenrechtegesetz, das an diesem Mittwoch das Kabinett passieren soll, werde der Schutz der Patienten vor Ärztefehlern gestärkt.
Montgomery stellte Bahr und seinem Vorgänger Philipp Rösler (FDP) ausdrücklich ein gutes Zeugnis aus. Er lobte die schwarz-gelben Gesundheitsgesetze.