Airlines verschärfen weltweit Cockpit-Regeln
Berlin (dpa) - Fluggesellschaften in Deutschland und auf der ganzen Welt führen nach der Germanwings-Katastrophe die Zwei-Personen-Regel im Cockpit ein. Sie wollen keine Piloten mehr allein im Cockpit erlauben.
Nach Abstimmung mit dem Verkehrsministerium und dem Bundes-Luftfahrtamt wird das neue vorläufige Verfahren von den deutschen Airlines ab sofort eingeführt. Das teilte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) mit. Auch die Lufthansa samt ihrer Töchter Germanwings, Swiss und Austrian Airlines will die neue Regel umsetzen.
Bei dem Unglück in den französischen Alpen soll nach Erkenntnissen der Ermittler der Pilot ausgesperrt gewesen sein und der Copilot das Flugzeug allein auf Crashkurs gesteuert haben. Unmittelbar danach setzte eine heftige Diskussion in Politik und Luftfahrtbranche über eine Änderung der Cockpit-Besetzung ein. Sicherheitsexperten warnen jedoch davor, von dem „Vier-Augen-Prinzip“ zu viel zu erwarten. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) befürwortet es: „Das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit ist eine richtige Überlegung“, sagte er am Freitag der dpa.
Auch EU-Behörden denken über neue Empfehlungen für die Besetzung des Cockpits nach. EU-Mitarbeiter erklärten in Brüssel, sie berieten mit der Branche und den nationalen Regierungen darüber. Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber, plädierte für eine europaweite Zwei-Personen-Regel in Cockpits. Eine Selbstverpflichtung der Fluggesellschaften ist Weber nicht genug. „Die Bürger erwarten hier gesetzliche Klarheit.“
Viele Airlines und Flugsicherheitsbehörden in Europa, aber auch in Australien und Neuseeland kündigten an, sie führten die Neuregelung ein oder prüften zumindest eine Änderung. In der Regel sind die Airlines bislang nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sich immer mehr als ein Besatzungsmitglied im Cockpit aufhält, wenn beispielsweise ein Pilot in der Kabine etwas zu checken hat oder einfach auf die Toilette muss. In den USA, aber auch in Europa wird das aber schon teilweise so praktiziert.
Das in Rede stehende Vier-Augen-Prinzip im Cockpit biete eine erste Möglichkeit, auf die Gefahren zu reagieren, erklärte die Vereinigung Cockpit (VC) in Frankfurt. „Wir dürfen jetzt aber keinen Generalverdacht gegenüber allen Besatzungsmitgliedern aufkommen lassen“, warnte VC-Präsident Ilja Schulz. Germanwings-Chef Thomas Winkelmann erklärte im ZDF am Donnerstagabend: „Mir stellt sich die Frage, wenn ein Mensch mit solcher Energie einen kriminellen Akt begehen will, ob das dann zu verhindern ist, wenn beispielsweise eine Flugbegleiterin oder ein Flugbegleiter im Cockpit ist.“
In Großbritannien ändern die meisten Airlines ihre Regeln nach einer Empfehlung der Flugsicherheitsbehörde. Bei den Fluggesellschaften Virgin Atlantic, Easyjet, Monarch und Thomas Cook muss sich künftig ein Mitglied der Kabinen-Besatzung im Cockpit aufhalten, wenn einer der Piloten seinen Platz verlässt. Bei den Billigfliegern Jet2 und Flybe sowie dem irischen Billiganbieter Ryanair sei es schon Standard. British Airways wollte sich zunächst nicht äußern.
Von der großen europäischen Airline Air France hieß es, man verfolge aufmerksam Entwicklung und Ergebnisse der juristischen und technischen Untersuchungen. Die Frage der Anwesenheit einer zweiten Person im Cockpit sei ein wichtiges Thema. Airlines wie Air Berlin oder Condor kündigten an, dass die Neuregelung bereits von Freitag an gelte.
Auch Air Baltic, Norwegian, Air Canada ebenso wie die skandinavische Airline SAS führen nach eigenen Angaben die Zwei-Personen-Regel ein. Bei der tschechischen Fluglinie Czech Airlines (CSA) und der tschechischen Charterfluggesellschaft Travel Service gilt die Vier-Augen-Regel bereits ebenso wie in Rumänien.
Auch Australien überprüft die Regeln. Die Regierung habe von den Fluglinien Information zu den Abläufen im Cockpit angefordert, berichtete die Nachrichtenagentur AAP. Neuseeland führt die Zwei-Personen-Regel ab sofort ein, teilte die dortige Zivil-Luftfahrtbehörde (CAA) mit.
Der ehemalige Sicherheitschef der polnischen Fluggesellschaft LOT, Jerzy Dziewulski, äußerte sich skeptisch. Flugbegleiter könnten während der Abwesenheit eines der Piloten nichts machen, um eine Katastrophe zu verhindern, sagte er im Sender TVN 24. „Der Pilot in der Kabine sagt: Setz dich, fass nichts an, du hast keine Ahnung. Ich bin derjenige, der die Maschine steuert.“