Analyse: Alle reden vom Wetter - auch die Bahn
Berlin (dpa) - Vor Jahrzehnten warb die Bahn: „Alle reden vom Wetter, wir nicht.“ Heute ist das anders: Extreme Wetterlagen machen dem Konzern zu schaffen. Könnte die Bahn sich besser wappnen?
Im Hauptbahnhof von Hannover drängen sich die Reisenden - oder besser: Menschen, die gerne Reisende wären. „Etwa 1 Stunde später“, steht nach dem verheerenden Unwetter immerhin noch auf der Anzeigetafel. In Köln heißt es nur noch „Ansagen beachten“, und in Essen spart sich die Bahn zeitweise sogar das: Die Tafel ist leer. Umgestürzte Bäume haben den Bahnhof vom Netz abgeschnitten.
Ein Jahr nach der Hochwasser-Katastrophe treffen schwere Unwetter die Bahn mit Wucht. Das Ruhrgebiet ist per Fernzug praktisch nicht zu erreichen. Und kaum sind die Instandhaltungstrupps im Westen im Einsatz, folgen Unwetter im Osten. Auch die wichtigen Strecken von Hannover und Hamburg nach Berlin sind am Mittwoch unterbrochen.
„Die Bahn ist an einer ganz empfindlichen Stelle getroffen“, heißt es im Konzern. Und sie kann nicht ausweichen. 34 000 Kilometer Schienen liegen bundesweit verteilt, führen durch Wälder und über Brücken. Bei Schäden sind sie mit Spezialgerät oft schwer zu erreichen.
Früher warb die Bahn: „Alle reden vom Wetter, wir nicht.“ Heute setzen extreme Wetterereignisse dem Unternehmen zu. Chaotische Winter sind noch ebenso in Erinnerung wie Klimaanlagen, die erst vor wenigen Jahren im Sommer reihenweise schlapp machten.
Entsprechend ratlos klingt die Erklärung des bundeseigenen Unternehmens am Mittwoch. Mit den Unwetter-Folgen seien zwar Tausende beschäftigt: Bäume wegschaffen, Leitungen reparieren, Züge umleiten, Anrufe beantworten, Kunden in Taxen und Busse lotsen. Jedoch: Wann es wieder nach Fahrplan läuft, lasse sich vorerst nicht sagen.
„Gegen diese Naturgewalten kann man sich leider nicht wappnen“, sagt der Konzernbevollmächtigte Reiner Latsch. Er spricht von schlimmeren Verwüstungen als nach dem Orkan Kyrill. Dabei kreisen noch die Hubschrauber, aus denen sich die Bahn ein Bild von der Lage macht.
Es gibt auch einen wichtigen Unterschied zu dem Orkan 2007. Damals war die Bahn gewarnt, stellte bundesweit den Zugverkehr ein. „Dieses Mal ist man mit den Vorhersagen deutlich unzufriedener“, heißt es in der gläsernen Berliner Bahn-Zentrale. „Dass da solche Gewittercluster entstehen, wurde in keiner Weise kommuniziert.“ Folge: Noch am Mittwoch stecken 16 Züge auf offener Strecke fest.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft macht der Bahn keinen Vorwurf. „Aus unserer Sicht arbeiten die Kollegen dort unermüdlich unter Hochdruck“, sagt Sprecher Uwe Reitz. Der Bund könne aber mehr tun. „Es stellt sich die Frage, welche Vorsorge der Eigentümer treffen will.“
Zwar gebe es bundesweit Stützpunkte für Instandhaltungstrupps mit ihren Spezialfahrzeugen, die alltägliche Schäden auch schnell beseitigen. „In solchen Extremsituationen ist aber sicherlich nicht in der Zahl da, die sie bräuchten.“ Abhilfe werde Millionen kosten.
Selbst der Fahrgastverband Pro Bahn gesteht zu, es gebe keinen hundertprozentigen Schutz. Theoretisch denkbar wäre etwa, sämtliche Bäume an Bahnstrecken abzuholzen - das hält Sprecher Gerd Aschoff aber für politisch kaum durchsetzbar. Zugutezuhalten sei der Bahn, dass sie alle Kunden heil aus den Zügen gebracht habe.
Pro Bahn mahnt aber bessere Auskünfte an. Die Informationsketten im Konzern hätten zu viele Lücken, kritisiert Aschoff. „Fahrgäste erleben immer wieder, dass das Personal im Zug auch nicht mehr weiß als sie selbst.“