Analyse: Alte und neue Mächte kämpfen um IWF-Führung

Berlin/Washington (dpa) - Nach dem Rücktritt von „DSK“ - Dominique Strauss-Kahn - von der Spitze beim Internationalen Währungsfonds (IWF) kommt die Nachfolgedebatte richtig in Fahrt. Kanzlerin Angela Merkel und andere Euro-Länder wollen wieder einen Europäer auf dem Chefsessel haben.

Doch die neuen Global Player um China, Indien und Brasilien wollen mehr Gewicht und eigene Gesichter durchsetzen.

Wie wurden die Führungsposten bisher verteilt?

Seit Jahrzehnten teilen Amerikaner und Europäer die Führung von IWF und Weltbank unter sich auf - beide mit Sitz in Washington. Die Europäer besetzen den IWF-Chefposten, im Gegenzug steht bislang stets ein Amerikaner an der Spitze der Weltbank. Inzwischen haben aber aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien und Brasilien mehr Einfluss beim IWF und wollen auch Führungspositionen besetzen.

Weshalb pochen China & Co. auf den IWF-Chefsessel?

Die USA und das „alte Europa“ haben in der Weltwirtschaft ihre jahrzehntelange Dominanz eingebüßt. China ist jetzt zweitgrößte Volkswirtschaft hinter den USA und hat Japan und Deutschland überholt. Die Chinesen haben die Deutschen auch als Exportweltmeister abgelöst. Aber: Peking kontrolliert politisch eigene Märkte, Notenbank und Währung. Die Boom-Länder Brasilien, Russland, Indien und China bilden den „BRIC“-Club - zusammen mit Südafrika. Auf sie entfällt fast ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung - Tendenz steigend.

Ist China überhaupt noch ein Schwellenland?

Angesichts seiner Weltmarktstellung und gigantischen Devisenreservern eigentlich nicht. Im Grunde sind Schwellenländer besser aufgestellte Entwicklungsländer („Tigerstaaten“) auf dem Sprung zur Industrienation. Eine verbindliche Schwellenländer-Liste gibt es nicht. Viele gehören auch der Gruppe der G20 an, die seit der Finanzkrise das neue Kraftzentrum der Weltwirtschaft ist und die G8 abgelöst hat. China selbst gefällt sich in der Schwellenland-Rolle, weil es so für viele Länder einen Führungsanspruch erheben kann.

Haben sich die Gewichte im IWF verschoben?

Spätestens seit der Neuordnung der Stimmrechte und Anteile beim IWF im vergangenen Herbst. Mit dieser historischen Reform erhalten Boom-Länder wie China und Indien mehr Einfluss, Industrieländer geben Macht ab. China löst Deutschland als drittgrößten Anteilseigner des IWF mit seinen 187 Mitgliedern ab. Die USA bleiben mit Abstand größter Geldgeber und Anteilseigner (Quote: 17,7 Prozent). Schwellen- und Entwicklungsländern haben künftig einen Quotenanteil von 42,3 Prozent. China stünde nach der Quotenformel sogar ein Anteil von fast 8 Prozent zu. Erhalten wird China aber zunächst nur rund 6,4 Prozent.

Warum pocht Merkel auf einen Europäer?

Natürlich ist auch der Kanzlerin klar, dass auf mittlere Sicht die Boom-Länder bei IWF und Weltbank zum Zuge kommen müssen. Aber: In der aktuellen Euro-Schuldenkrisen und angesichts der Hilfspakete auch des IWF für kriselnde Euro-Länder sollte vorerst ein Europäer weiter den Fonds führen. Damit steht Merkel - zumindest in Europa - nicht allein. Und sie nennt ein weiteres Argument: Strauss-Kahn trete ja schließlich vor Ablauf seiner fünfjährigen Amtszeit 2012 von der IWF-Spitze zurück, so dass Europa formal noch am Drücker sei.

Wer sind Europas Kandidaten?

Die aussichtsreichste Anwärterin ist die französische Finanzministerin Christine Lagarde, die in den USA bestens vernetzt ist. Ihr Nachteil ist ihr Pass. Die französische IWF-Dominanz ginge weiter. In einigen Medien wird nun der Chef der Schweizer Nationalbank, Philipp Hildebrand, genannt.

Schickt Merkel einen Deutschen ins Rennen?

Bei der Besetzung internationaler Top-Posten fehlen der CDU-Chefin die großen Kaliber. Kandidaten wie Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, Thomas Mirow, Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, oder Finanzstaats-Sekretär Jörg Asmussen haben alle ein Problem - das SPD-Parteibuch. Auch Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber wird genannt, der aber nach seinem ungeschickten Abgang bei Merkel als verbrannt gilt. Unwahrscheinlich ist die Variante, dass der scheidende Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nach Washington geht.

Wer hat Außenseiter-Chancen?

Selbst in Peking wird geraunt, den Posten an einen Vertreter aus einem „kleinen und neutralen Land“ zu vergeben. Als Vertreter der „Nicht-Europäer“ und Schwellenländer hätte der türkische Ex-Minister und Weltbank-Vize Kemal Dervis gute Chancen. Häufig genannt wird auch der Chef der mexikanischen Notenbank, Agustin Carstens, der schon IWF-Vizechef war. Sollte ein Afrikaner zum Zuge kommen, wäre dies wohl der frühere südafrikanische Finanzminister Trevor Manuel.