Analyse: Außenminister „von Röslers Gnaden“

Bergisch Gladbach/Berlin (dpa) - Am frühen Nachmittag war er da. Guido Westerwelle verschwand wortlos im prunkvollen Schlosshotel Bensberg. Drinnen im Saal setzte er sich lächelnd neben seine alten Mitstreiter Hermann Otto Solms und Wolfgang Gerhardt.

Aus Westerwelles direkten Umfeld kam die Botschaft, er sei „wild entschlossen“, um seinen Außenminister-Posten zu kämpfen. Zuvor hatte ein Gerücht die Partei aufgeschreckt, Westerwelle wolle bei dem dreitägigen Treffen im Kreis der FDP-Bundestagsabgeordneten die Vertrauensfrage stellen.

Das wäre ein Showdown geworden, der gar nicht im Sinne der Partei gewesen wäre. Eine Selbstzerfleischung so kurz vor Landtagswahlen hätte nur die Gegner der FDP erfreut. Vizekanzler Rösler, als Nichtmitglied des Bundestages formal nur Gast in Bensberg, saß am späten Montagabend mit Fraktionsboss Brüderle, dem nordrhein-westfälischen Landeschef Daniel Bahr und Generalsekretär Christian Lindner im Schloss zusammen.

Da machte vorab der Bericht der „Rheinischen Post“ die Runde, der eine Vertrauensfrage von Westerwelle für möglich hielt. Rösler griff nach Darstellung aus seiner Umgebung zum Handy, um zum zweiten Mal mit dem Außenminister darüber zu sprechen. Andere FDP-Kreise konnten sich später nur an ein Telefonat erinnern.

Rösler machte nach Darstellung von Vertrauten Westerwelle deutlich, dass es keine Vertrauensfrage geben solle. Brüderle wiederum mahnte einen fairen Umgang mit dem Ex-Chef an und warnte, dass die Euro-Klausur kein Westerwelle-Tribunal werden dürfe.

Am Dienstagnachmittag stellte sich Rösler schließlich den Journalisten mit dem Versuch, die Debatte abzuräumen. Das Führungsteam bleibe, dazu gehöre auch der Außenminister. Gleichwohl düpierte Rösler seinen Vorgänger in Sachen Nato-Würdigung beim Libyen-Einsatz gleich noch einmal, als er betonte, die außenpolitischen Leitlinie habe er als Parteichef festgelegt und Westerwelle sei gefolgt. Das dürfte harter Tobak für Deutschlands obersten Diplomaten sein. „Er ist eigentlich nur noch ein Außenminister von Röslers Gnaden“, meinte ein FDP-Mann in Bensberg.

Zuvor hatte Westerwelle immerhin zahlreiche Treueschwüre aus den eigenen Reihen erhalten, deren Halbwertzeit offen ist. So hatte die Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt (AA) am Vormittag für ihn einen unerwarteten Nebeneffekt. Entwicklungsminister Dirk Niebel - einer der möglichen Nachfolger - versicherte in aller Öffentlichkeit: „Ich stehe ausdrücklich mit und auch zu meinem Kollegen Guido Westerwelle.“ Von den zwei anderen als Westerwelle-Ersatz gehandelten FDP-Männern - AA-Staatsminister Werner Hoyer und Europa-Abgeordneter Alexander Graf Lambsdorff - gab es solche Bekenntnisse bisher nicht.

Neben den Nachfolge-Spekulationen wird in Berlin auch schon darüber geredet, was Westerwelle mit gerade mal 49 Jahren nach einem Rücktritt so alles machen könnte. Als Anwalt könnte er sein Geld verdienen, auch mit gut bezahlten Rede-Auftritten wie so viele Vorgänger. Und immer wieder kommt bei solchen Gelegenheiten auch die gemeinnützige Telekom-Stiftung ins Gespräch, die ihren Sitz in Westerwelles Heimatstadt Bonn hat. Derzeitiger Chef: der ehemalige FDP-Außenminister Klaus Kinkel.