Analyse: Bitterer Abschied für Hummels vom BVB
Berlin (dpa) - Thomas Tuchel verspürte wenig Lust auf warme Abschiedsworte für Mats Hummels. Auf Fragen nach der Leistung des künftigen Münchners im Pokalfinale gegen den FC Bayern reagierte der enttäuschte Dortmunder Fußball-Lehrer bemerkenswert einsilbig.
„Er kann es besser“, antwortete der Coach kritisch. Auch über die Gründe für die Auswechslung des von Krämpfen geplagten BVB-Kapitäns bereits in der 78. Minute verlor er nur wenig Worte: „Er hat darum gebeten.“
Von einem harmonischen goodbye des Weltmeisters konnte wahrlich nicht die Rede sein. Dafür sorgte nicht nur das ärgerliche 3:4 im Elfmeterschießen nach zuvor 120 torlosen Minuten. Auch der Dissens mit seinem Coach trug dazu bei. Denn Hummels widersprach nach seinem letzten Spiel im BVB-Trikot der Aussage von Tuchel, den Rasen auf eigenen Wunsch verlassen zu haben. „Ich habe nichts angedeutet. Wenn ich raus will, mache ich ein klares Zeichen“, kommentierte er verwundert. „Ich denke, der Trainer hat gesehen, dass es nicht mehr ging.“
Die kräftezehrende Defensivtaktik des BVB forderte ihren Tribut. Vom Spielfeldrand aus musste Hummels tatenlos mit ansehen, wie sein Team das Spiel am Ende auf dramatische Art verlor. Aus seiner Gemütslage machte der 27-Jährige keinen Hehl: „Das ist ein Scheiß-Ende. Heute bin ich unfassbar traurig.“
Doch bei aller Enttäuschung über die neuerliche Pleite in Berlin fiel sein Rückblick auf achteinhalb Jahre beim BVB insgesamt positiv aus: „Es war einfach traumhaft. Hätte mir das jemand 2008, als ich gekommen bin, so hingelegt, hätte ich es blind unterschrieben. Es war ein sehr geiler, nervenaufreibender Teil meines Lebens.“
Noch vor dem EM-Start in drei Wochen will er bisher Versäumtes nachholen und seinen Vertrag beim FC Bayern unterzeichnen: „Ich habe mich mit dem ganzen Thema noch nicht beschäftigt“, sagte er bei Sky. „Ich wollte vor dem Finale nicht noch nach München fliegen. Das hat sich irgendwie nicht gut angefühlt.“
Ähnlich kritisch wie mit Hummels ging Tuchel mit sich selbst ins Gericht. Der Coach machte sich Vorwürfe, bei der Bestimmung der Elfmeterschützen nicht mehr Einfluss genommen zu haben. So kam es, dass die im Spiel bärenstarken, aber am Ende völlig entkräfteten Defensivrecken Sven Bender und Sokratis auf eigenen Wunsch antraten - und verschossen. „Es wäre meine Aufgabe gewesen, das zu verhindern und andere in die Verantwortung zu nehmen“, bekannte Tuchel, „in Bundesliga-Spielen habe ich Manni und Papa noch nie bei Elfmetern gesehen. Das nehme ich auf meine Kappe.“
Den Frust über das anhaltende Finaltrauma der Borussia, die das vierte große Endspiel in Serie verlor, konnte auch Hans-Joachim Watzke bei der anschließenden „Schwarzgelben Nacht“ in der denkmalgeschützten „Station“ nicht vertreiben. „Wenn man aus einem Spiel Stärke ziehen kann, dann aus diesem. Wir können Berlin erhobenen Hauptes verlassen“, befand der BVB-Geschäftsführer in seiner Rede. Begleitet vom Applaus der rund 1000 Ehrengästen sprach er Hummels seinen Dank aus: „Du hast eine Ära geprägt.“
Für weiteren Gesprächsstoff in der stylischen Location sorgte der Zweikampf zwischen Gonzalo Castro und Franck Ribéry Ende der 1. Halbzeit. Brust an Brust standen sich die beiden Gegenspieler gegenüber. Dabei fasste Ribéry dem Dortmunder Profi ins Gesicht - und erwischte diesen mit dem Ringfinger dessen Auge. „Wenn eine Tätlichkeit nicht regelkonform bestraft wird, finde ich das spielentscheidend“, klagte Außenverteidiger Marcel Schmelzer, „aber die Rote Karte ist nicht gekommen, obwohl der 4. Unparteiische, der die Aufgabe hat, das zu sehen, zehn Zentimeter daneben steht.“
Ähnlich verärgert kommentierte Hummels den Vorgang und verwies auf ähnliche Benachteiligungen in anderen großen Endspielen gegen die Bayern. So war sein eigentlich regelkonformer Treffer im Pokalfinale 2014 (0:2 n.V.) nicht anerkannt worden. „Geschichte wiederholt sich. 2013, 2014 und heute - wir haben einen Hattrick geschafft in Finalspielen, die die Schiedsrichter mit beeinflusst haben. Jeder hat gesehen, was war.“