Analyse: De Maizière im Kreuzverhör
Berlin (dpa) - Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist heute der vorletzte von 19 Zeugen im Drohnen-Untersuchungsausschuss des Bundestags - und er ist mit Abstand der wichtigste. Die Liste der Fragen an den CDU-Politiker ist in den vergangenen Wochen immer länger geworden.
Hier die wichtigsten:
- Wann wusste de Maizière was über das „Euro Hawk“-Projekt?
Das wird die Kernfrage der Vernehmung sein. Die Opposition wirft dem Minister vor, in diesem Punkt getäuscht oder sogar gelogen zu haben und fordert seinen Rücktritt. De Maizière hatte im Juni gesagt, er habe Anfang März 2012 erstmals in einer allgemeinen Besprechung von Problemen bei der Zulassung für den deutschen Luftraum erfahren. Diese seien ihm aber als lösbar dargestellt worden.
Erst am 13. Mai 2013 sei er darüber informiert worden, dass seine Staatssekretäre sich für den Abbruch des Projekts entschieden haben. „Es gab zuvor keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem“, erklärte de Maizière damals. Sein Staatssekretär und engster Vertrauter Stéphane Beemelmans bestätigte diese Version am Dienstag. Es sind aber mehrere Dokumente aufgetaucht, die für die Opposition den Verdacht nahelegen, dass der Minister mehr über das Projekt gewusst haben könnte als von ihm selbst dargestellt.
- Warum hat de Maizière sich nicht selbst bei seinen Mitarbeitern informiert?
Der „Euro Hawk“ gilt als strategisch wichtiges Projekt, das bei einer vollständigen Realisierung Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro bedeutet hätte. Die zuständige Mitarbeiterin des Bundesrechnungshofs wies im Ausschuss darauf hin, dass es sich damit um ein Rüstungsprojekt der Kategorie 1 handele. „Kategorie 1 sagt: leitungsrelevant“, erklärte sie. Warum also hat de Maizière nicht selbst mal nachgefragt? Auch sein Vorgänger Rudolf Scharping (SPD) sagte im Ausschuss, ein Minister sei dazu verpflichtet, über bedeutende Projekte auf dem Laufenden zu bleiben:. „Es gibt bei Informationen eine Bringschuld und eine Holschuld.“
- Wurde das Projekt zu spät gestoppt?
Ende 2011 verdichtete sich im Verteidigungsministerium die Erkenntnis, dass schon eine vorläufige Musterzulassung der Aufklärungsdrohne für den deutschen Luftraum erhebliche Mehrkosten verursachen würde. Es dauerte trotzdem noch fast eineinhalb Jahre, bis die Reißleine gezogen wurde. De Maizière argumentiert, eine Fortsetzung des „Euro Hawk“-Programms sei für die weitere Erprobung der Aufklärungstechnik des europäischen Rüstungskonzerns EADS nötig gewesen. Diese soll nun in einem anderen Flugzeug weitergenutzt werden. Bei einem früheren Abbruch wären weitere Investitionen in den Sand gesetzt worden, meint der Minister. Die Opposition ist dagegen der Auffassung, durch den späten Stopp sei zusätzlicher Schaden für den Steuerzahler entstanden.
- Oder kam der Abbruch vielleicht doch zu früh?
Dieser Ansicht ist die Industrie. Sie meint, der „Euro Hawk“ wäre zu retten gewesen - ohne Kostenexplosion. Der US-Hersteller Northrop Grumman beziffert die Kosten für die Zertifikate, die für eine Zulassung noch fehlten, auf 160 bis 193 Millionen Euro. Das Ministerium geht von 500 bis 600 Millionen Euro aus, also ungefähr dreimal so viel. Northrop Grumman ist auch der Meinung, dass eine Weiternutzung der Aufklärungstechnik in einem anderen Flugzeug zusätzliche Kosten bei deutlich geringerem Nutzen bedeuten würde. Auch EADS hält den „Euro Hawk“ weiter für die beste Lösung.
- Werden personelle Konsequenzen aus dem Drohnen-Flop gezogen?
De Maizière hat sich in seiner ersten Stellungnahme zur Drohnen-Affäre personelle Konsequenzen wegen seiner unzureichenden Information über die „Euro Hawk“-Probleme vorbehalten. Sein Staatssekretär Beemelmans hat dafür am Dienstag die volle Verantwortung übernommen. Dass de Maizière seinen engsten Vertrauten feuert, ist trotzdem unwahrscheinlich. Ihm würde vorgeworfen, ein „Bauernopfer“ zu bringen. Der Druck auf ihn würde damit vermutlich nur noch wachsen. Dass de Maizière selbst zurücktritt, gilt ebenfalls als unwahrscheinlich. Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte mitten im Wahlkampf wenig Interesse daran haben. Sie hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach demonstrativ hinter ihren Minister gestellt. Auch der Koalitionspartner FDP steht zu de Maizière.