Analyse: Die AfD ist wie im Rausch
Berlin (dpa) - „So sehen Sieger aus“, steht auf dem Plakat. Es zeigt drei Goldmedaillen. Davor posiert das Spitzenpersonal der AfD - strahlend, mit stolzgeschwellter Brust. Die AfD ist jetzt in 9 von 16 Landesparlamenten vertreten.
Der Aufstieg der einstigen Professorenpartei ging so schnell, da kann einem frischgebackenen Abgeordneten schon einmal schwindelig werden. „Wir werden also stärkste Kraft im Schweriner Landtag sein“, sagt Leif Erik Holm, Spitzenkandidat aus Mecklenburg-Vorpommern und ehemaliger Radiomoderator. Ein Freudscher Versprecher? Denn was Holm wohl meint, ist: „stärkste Oppositionspartei“.
Auch weiter unten in der Hierarchie sind die Ambitionen groß. Auf den Plastikausweisen des „Sicherheits- und Ordnungsdienstes der AfD“ prangt neben dem Parteilogo ein Foto des Reichstages.
Ob es nicht verfrüht sei, jetzt schon von Regierungsverantwortung zu sprechen, will ein Journalist von den AfD-Politikern wissen, die am Tag nach der Landtagswahl in Berlin Rede und Antwort stehen. „Sie sehen ja, was sich binnen eines Jahres tun kann“, gibt Parteichef Jörg Meuthen süffisant zurück. Will sagen: Wenn die Erfolgskurve weiter so nach oben zeigt wie in den vergangenen zwölf Monaten, ist Vieles möglich. Auch der AfD-Landesvorsitzende in NRW, Marcus Pretzell, sagt, „dass wir im Bund schon 2021 Regierungsverantwortung anstreben müssen“.
Nur Parteivize Alexander Gauland bremst. Er hält nichts davon, jetzt schon mit großen Ambitionen hausieren zu gehen. Der ehemalige CDU-Staatssekretär sagt: „Mitregieren - das liegt in weiter Zukunft.“ Und: „Niemals würde ich dafür plädieren, als Juniorpartner in eine Regierung zu gehen.“ Ist das nur Taktik, weil Gauland meint, dass viele „Denkzettel“-Wähler eine AfD, die Regierungsverantwortung übernimmt, vielleicht gar nicht wollen? Oder ist er nur Realist?
Gauland warnt seine Parteikollegen davor, jetzt schon auf Ministerposten zu schielen: „Man stelle sich einmal vor, der Flüchtlingsstrom geht weiter, wir sind an der Regierung beteiligt und können dann unsere Ziele nicht durchsetzen.“ Das würde vom Wähler leicht als „Verrat“ angesehen und dann auch entsprechend bestraft werden, sagt er. Die AfD solle deshalb lieber in der Opposition wachsen und sich dann eines Tages eine kleinere Partei als Koalitionspartner suchen.
Doch wie realistisch ist dieses Szenario? Und was ist mit dem Streit zwischen den zwei Parteivorsitzenden, Jörg Meuthen und Frauke Petry, der die Partei den ganzen Sommer über in Atem gehalten hat? Achselzucken. „Wir haben uns mal gestritten, das ist bekannt“, sagt Meuthen. Das sei völlig normal und jetzt im übrigen auch beendet. „Da habe ich gar nichts hinzuzufügen“, ergänzt Petry.
Zwischen ihnen sitzt an diesem wolkigen Septembertag als Puffer Leif Erik Holm. Er sagt: „Mecklenburg-Vorpommern hat die beiden geeint.“ Ganz falsch ist das nicht. Denn die AfD-Spitzenpolitiker sind schon länger dafür bekannt, dass sie ihre Rivalitäten zumindest in Wahlkampfzeiten unter dem Deckel halten können. Das ist schon dem Druck der Wahlkämpfer geschuldet. Denn die haben keine Lust, an ihren Infoständen ständig auf die Querelen ihrer Kollegen angesprochen zu werden.
Nach der Wahl wirkt dann das gute Ergebnis als Stimmungsaufheller im Bundesvorstand. Ob die Wirkung dieses vom Wähler verabreichten Antidepressivums bis zum Bundestagswahlkampf anhält, ist allerdings noch offen.