Zum Abschied Berlin Analyse: Die besondere Beziehung von Obama und Merkel
Berlin/Washington (dpa) - Es schließt sich ein Kreis. 2008 hatte Angela Merkel dem US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama einen Auftritt vor dem Brandenburger Tor in Berlin verwehrt. Diesen historischen Ort wollte die Kanzlerin Präsidenten vorbehalten, nicht Kandidaten.
Viele fanden das damals kleinkariert, weckte dieser schwarze demokratische Rechtsanwalt doch so viele Hoffnungen auf eine politische Wende in den USA, vielleicht sogar der Welt.
Heute geben Merkel-Kritiker von damals der Kanzlerin Recht. Man stelle sich vor, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump, hätte im jetzigen Schlammschlacht-US-Wahlkampf eine Rede an diesem symbolträchtigen Platz beansprucht.
Nun, zum Ende seiner Amtszeit, kommt Obama überraschend noch einmal nach Berlin. Um Goodbye zu sagen. Er kommt zu eben jener Bundeskanzlerin, die erst einmal zurückhaltend auf ihn reagierte, und in jene Hauptstadt, um die er erst einmal jahrelang einen Bogen gemacht hatte. In seiner gesamten achtjährigen Amtszeit war Obama bisher nur 2013 einmal in Berlin - und sprach am Brandenburger Tor.
Eigentlich waren alle davon ausgegangen, dass sein Besuch im April in Hannover sein letzter in Deutschland war. In dieser Annahme war Merkel nach einer Bilanz ihres Verhältnisses zu Obama gefragt worden. Sie runzelte damals die Stirn, als wäre das eine besonders blöde Frage. Schließlich sehe sie ihn ja auch noch beim G7-Gipfel im Juni in Japan und beim G20-Gipfel im September in China, antwortete sie. Eine Messehalle wäre vielleicht auch kein passender Rahmen für einen Abschied gewesen. Jetzt wird es das Kanzleramt sein.
Obama hatte Merkel in Hannover eine regelrechte politische Liebeserklärung gemacht: „Es ist die wichtigste Beziehung, die wichtigste Freundschaft, die ich in meiner Amtszeit hatte.“ Merkel versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, was ihr nicht gelang. Nach allen Schwierigkeiten zwischen der Christdemokratin und dem Demokraten, vor allem rund um die NSA-Affäre inklusive des Abhörens des Kanzlerinnen-Handys, war das ein ganz besonderer Moment für sie.
Viel kann Obama nicht mehr ausrichten. Sein Besuch fällt in die Zeit zwischen der US-Wahl am 8. November und der Amtsübergabe am 20. Januar 2017. Nichts wird der 44. Präsident der USA noch zusagen oder einbringen können, was er nicht aufs Engste mit der dann gewählten Nummer 45 abgestimmt hat. Angesichts seiner Reise-Route muss ihm die Europa-Station sehr am Herzen liegen. Von Washington zum Apec-Gipfel nach Peru kann man schneller fliegen als über Athen und Berlin.
Sonderlich interessiert an diesem Teil der Welt war Obama in den letzten siebeneinhalb Jahren nicht. Entdeckt er nun, im Winter seiner zwei Amtszeiten, noch so etwas wie ein Herz für das alte Europa? Im April war er als strahlender Mutmacher nach Hannover gekommen, und als ernster Mahner. Die EU sei eine der größten politischen Errungenschaften der Gegenwart, ein einiges Europa sei von vitalem Interesse für die Weltordnung, lautete sein Credo.
Der Amerikaner hielt eine Rede, die den kriselnden Europäern gut tun sollte. Als flammendes Plädoyer für eine Verteilung der Lasten, gegen Sololäufe der USA, für mehr Verantwortung der Europäer. Das war allgemein als ein gelungener Schlussstein für Obamas Verhältnis zu Europa angesehen worden. Diesen dürfte er aber nun in Berlin setzen. Und es ist zu vermuten, dass er Europa wieder Merkels Fähigkeiten ans Herz legen wird: Ausdauer, Geduld, Kompromissfähigkeit. Merkels Flüchtlingspolitik hat Obama ohnehin beeindruckt.
Für die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende ist sein Besuch ein willkommenes Geschenk mitten in schweren innenpolitischen Zeiten, in denen es viel um Flüchtlinge, Integration und Sicherheit geht.
Und Außenpolitik läuft in langen Linien, sie ändert sich nicht über Nacht. Ein Schulterschluss des von allen Seiten bedrohten, in seinem Selbstverständnis angeknacksten Westens: Es wäre verwunderlich, wenn der scheidende Präsident das den Europäern nicht auch im November nochmals ins Stammbuch schreiben würde. Sollte die Demokratin Hillary Clinton ins Weiße Haus einziehen, dürfte es für Europa weniger geschliffene Worte geben - und deutlich mehr Forderungen. Folgt Trump, wird Deutschland Obama erst recht aufs Ärgste vermissen.