Analyse: Die Brisanz der Islamdebatte für die Union
Berlin/München (dpa) - Für die Union ist das eine Herausforderung. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland schürt mit Szenarien, wie bedrohlich der Islam für Demokratie und Freiheit sei, Ängste der Bürger vor Muslimen.
Die CDU von Kanzlerin Angela Merkel bemüht sich um Ruhe und Entlarvung der AfD. Die CSU von Horst Seehofer aber verbreitete in den vergangenen Wochen und Monaten selbst Forderungen, wie sie auf dem AfD-Parteitag am Wochenende eine Rolle spielen dürften. Schlagzeilenträchtig sind insbesondere CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und Finanzminister Markus Söder.
Ein paar Beispiele: die abendländische Leitkultur, der sich Muslime unterordnen sollen, das Burka-Verbot, das Verbot ausländischer Finanzierung für Moscheen, die Ausbildung von Imamen in Deutschland. Manche Sätze im AfD-Programm waren von der CSU schon zu hören, bevor es die AfD überhaupt gab.
Der bayerische AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron wiederum sagt, die CSU habe Forderungen der AfD kopiert. „Wenn Seehofer sich als Pressesprecher der AfD betätigt, ist das in Ordnung“, spottet er. Der Unterschied zwischen AfD und CSU? „Die machen große Worte in München, und in Berlin tun sie das Gegenteil.“
So sieht das aus: Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel betonte im vorigen Jahr: „Es ist offenkundig, dass der Islam inzwischen unzweifelhaft zu Deutschland gehört.“ Als erster hatte das 2010 der damalige Bundespräsident Christian Wulff gesagt. Er sprach sich mit diesem Satz auch gegen Ressentiments in der CSU aus - und in die Herzen der in Deutschland lebenden Muslime: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“
Ausgelöst haben die jüngste Debatte die AfD-Vizevorsitzenden Beatrix vom Storch und Alexander Gauland, die den Islam zu einer Ideologie erklärt hatten, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Dazu stellte der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Franz Josef Jung (CDU) klar, die AfD-Positionen zum Islam zeugten von „eindeutig extremistischem Denken“. Das sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte, viele Deutsche muslimischen Glaubens zeigten jeden Tag, dass sie auf der Basis der freiheitlich- demokratischen Ordnung lebten. „Ihnen die Verfassungstreue abzusprechen, das finde ich schon einen unerhörten Vorgang.“
In der CDU-Führung war man sich einig: Die AfD geht auch hier zu weit - im Wissen, dass die Schwesterpartei CSU da nicht ganz so zimperlich ist. Die Argumentation der CSU läuft auf ein Einerseits-Andererseits hinaus. „Wir dürfen nicht verkennen, dass bestimmte Strömungen im Islam nicht integrationsbereit sind“, sagt Bayerns CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer. „Wer nach der Scharia in Deutschland leben will, die mit unserer Werteordnung nicht vereinbar ist, der muss unser Land wieder verlassen.“ Aber: „Das darf nicht dazu führen, dass man jegliche Integrationsbemühungen einstellt. Diese Unterscheidung fehlt bei der AfD.“ Er betont: „Der Weg der AfD ist falsch. Es ist schädlich, Angst vor dem Islam zu schüren.“
Aufmerksamkeit finden CSU-Politiker aber vor allem, wenn sie klingen wie die AfD - und das ist kein Zufall. Es ist erklärtes Ziel Seehofers, die Konkurrenz am rechten Flügel kleinzuhalten. Die Union sei eine politische Kraft der bürgerlichen Mitte, decke aber auch das „demokratische rechte Spektrum“ ab. „Es gibt nicht den geringsten Anlass, dies zu verändern. Im Gegenteil, wir müssen das wieder stärker praktizieren.“ Bisher ist das christsoziale Werben um das „demokratische rechte Spektrum“ zumindest zur Hälfte erfolgreich. Zwar liegt die AfD auch in bayerischen Umfragen bei neun Prozent, doch blieb die CSU vom monatelangen Sinkflug der CDU bislang verschont.
In der CDU, die selbst muslimische Mitglieder hat, heißt es stereotyp, die Union verliere immer dann, wenn CDU und CSU nicht geschlossen vorgingen. Man sei sich untereinander noch nicht einig, wie die AfD auf Abstand gehalten werden solle. Aber immerhin dies sei unstrittig: Die Tatsache, dass sie auf Abstand gehalten und es keine Zusammenarbeit mit ihr geben werde.