Islamdebatte: Krach in der CDU, Schweigen bei den Islamverbänden

Die Islamverbände scheitern seit Jahrzehnten an ihrer staatlichen Anerkennung — und damit an ihrer eigenen Integration.

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Köln/Düsseldorf. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte seine Forderung nach einer staatlichen Anerkennung des Islam vor dem vergangenen Wochenende kaum ausgesprochen, da waren die CDU-Rebellen der „WerteUnion“ bereits wieder auf den Barrikaden: „Vollkommen inakzeptabel“, wetterten der Bundesvorsitzende Alexander Mitsch und die NRW-Vorsitzende Simone Baum.

Laschet stelle sich nicht nur gegen „die richtige Aussage von Horst Seehofer (der Islam gehört nicht zu Deutschland), sondern auch gegen die Überzeugung von mehr als 76 Prozent der Bundesbürger“, so Mitsch und Baum. Glaubt man den Daten, die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa jüngst im Auftrag der Mediengruppe RTL erhoben hat, trifft das nicht zu: „47 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Islam zu Deutschland gehöre, 46 Prozent sind der Auffassung, der Islam sei ,nicht Teil der deutschen Gesellschaft’“, so RTL.

Mehrheitlich ablehnend seien die Ostdeutschen (62%), die über 60-Jährigen (53%) sowie die Anhänger der FDP (59%) und der AfD (87%), teilte der Sender weiter mit, wogegen der Islam mehrheitlich für die Anhänger von SPD (64%), Grünen (76%) und drei Viertel der 18- bis 29-Jährigen (75%) zu Deutschland gehöre.

Auch unter den Anhängern der Unions-Parteien haben die Anhänger der „WerteUnion“, die zuletzt auf dem Berliner Parteitag der CDU krachend mit ihrer Rebellion gegen Angela Merkel als Parteivorsitzende scheiterten, keine Mehrheit: 49 Prozent sind der Auffassung, der Islam sei Bestandteil der deutschen Gesellschaft, 44 Prozent sind der Auffassung von Horst Seehofer.

Das erklärt, warum die Union sich mit der immer wieder angerührten Debatte vor allem selbst schadet. Denn die Zahlen zeigen auch: CDU und CSU haben im RTL/n-tv-Trendbarometer drei Prozentpunkte verloren und kommen nur noch auf 31 Prozent; alle anderen Parteien haben hinzugewonnen, die SPD blieb stabil. Und: Das Ansehen von Angela Merkel ist nicht gesunken. Damit ist klar, wer die Verlierer der von Seehofer und seinen Freunden angezettelten Debatte sind. Merkel und Laschet sind es nicht. Schwieriger dürfte sich Laschets Vorstellung der „staatlichen Anerkennung“ gestalten, die der Ministerpräsident selbst für ein „ambitioniertes Ziel“ und „rechtlich kompliziert“ hält.

Denn es scheitert nicht an den rechtlichen Voraussetzungen. Die sind in Deutschland seit der Weimarer Republik klar geregelt: Es gibt in Deutschland keine Staatskirche, die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet, jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

Ebenfalls aus der Weimarer Reichsverfassung wurde die Regelung übernommen: „Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verband zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.“

Mehr als zwei Dutzend Religionsgemeinschaften sind nach diesen Regeln in NRW als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannt. Sie dürfen (wenn sie wollen) eigenen Religionsunterricht erteilen und Kirchensteuern erheben. Die Voraussetzungen dafür erfüllen neben den großen Diözesen der Römisch-Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen sowie der Lippischen Landeskirche auch Religionsgemeinschaften wie die Jüdischen Kultusgemeinden nebst Landesverbänden und Zentralrat, die Russisch-Orthodoxe Diözese des Orthodoxen-Bischofs von Berlin und Deutschland, die Niederländisch-Reformierte Gemeinde zu Wuppertal, die Mennonitengemeinde zu Krefeld, die Heilsarmee, die Neuapostolische Kirche oder die Zeugen Jehovas.

Verlässlich an der Anerkennung scheitern dagegen die islamischen Verbände. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht Münster im November, der sogenannte Zentralrat der Muslime und der sogenannte Islamrat erfüllten nicht die Voraussetzung, um als Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes anerkannt zu werden. Beide hatten gegen das Land Nordrhein-Westfalen geklagt, um einen eigenen islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen einführen zu können — und nichts dafür getan, um die Voraussetzungen der Anerkennung zu erfüllen.

Öffentlich hatte vor allem Grünen-Politiker Volker Beck vor einer Anerkennung der Verbände als Religionsgemeinschaft gewarnt. Zum sogenannten Islamrat gehört unter anderem die türkische „Milli Görüs“-Bewegung (deutsch: Nationale Sicht), deren Ideologie „Adil Düzen“ (deutsch: Gerechte Ordnung) die Beseitigung der westlichen Ordnung ist. Da ihre Prinzipien mit dem Grundgesetz nicht in Einklang stehen und ihre Funktionäre immer wieder durch antisemitische Einstellungen auffallen, wird Milli Görüs in NRW vom Verfassungsschutz beobachtet.

Wesentlich schlauer stellt sich der sogenannte Zentralrat der Muslime an, der vor allem in Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens häufig durch seinen Vorsitzenden Aiman Mazyek vertreten wird. Stärkste Einzelgruppe im „Zentralrat“ ist die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“ (IGD), die der extremistischen Muslimbruderschaft zugeordnet wird. Zentralrat und IDG stehen im Verdacht, erheblich aus dem Ausland finanziert und gesteuert zu werden. Der Zentralrat fällt immer wieder durch die Finanzierung von Prozessen auf, wenn es darum geht, dass Muslimas das vermeintliche Recht auf Tragen eines Kopftuchs in staatlichen Institutionen durchsetzen wollen.

Wie viele islamische Verbandsvertreter wird Aiman Mazyek nicht müde, immer und immer wieder zu betonen, was für eine friedliche Religion der Islam sei. Wesentlich schwerer fällt dem sogenannten Zentralrat, sich zum Grundgesetz zu bekennen. So heißt es in einer „Islamischen Charta“ des Vereins lediglich: „Muslime bejahen die vom Grundgesetz garantierte gewaltenteilige, rechtsstaatliche und demokratische Grundordnung.“ Zu deutsch: Das Grundgesetz in seiner Ganzheit wird nicht bejaht.

Gleiches gilt für die Menschenrechte, die ebenfalls nicht als universell geltend anerkannt werden. Führend tätig ist der sogenannte Zentralrat, wenn es vermeintliche Diskriminierungen zu kritisieren gilt.

Als sich Ende 2017 Protest gegen die Teilnahme des radikalen Berliner Imams Mohamed Matar an der Gedenkveranstaltung für die Terroropfer des Breitscheidplatzes regte, erklärte der „Zentralrat“ prompt, Teile der Berichterstattung „zeichnen ein falsches Bild“ und „tragen nicht zum Dialog und Frieden in der Gesellschaft bei und verletzen die Persönlichkeitsrechte von Herrn Matar“. Kritiker hatten unter anderem ein Foto von Matar veröffentlicht, auf dem er mit der sogenannten „R4bia“-Geste (vier hochgestreckten Fingern) seine Unterstützung der Muslimbruderschaft dokumentierte. Auf Facebook hatte Mohamed Matar zudem seine Sympathie für Hassprediger bekundet, die den Holocaust als „gerechte Strafe Allahs für die Juden“ bezeichnen.

Endgültig verabschiedet von dem Anspruch, es in Deutschland jemals zur anerkannten Religionsgemeinschaft zu bringen, hat sich inzwischen offenbar der türkische Staats-Moscheeverband „Ditib“, der direkt von Erdogans AKP aus Ankara gesteuert und finanziert wird. Nachdem seine Imame für Spitzeldienste gegen vermeintliche politische Gegner auch in NRW eingesetzt wurden, ließ Ditib nach dem türkischen Einmarsch in Syrien in seinen rund 900 deutschen Moscheen für den Sieg beten.

Nicht nur Armin Laschet, auch Volker Beck wünschte sich lange, es gebe in Deutschland eine zentrale Telefonnummer, unter der der Staat mit dem Islam sprechen könnte. Das Problem ist nicht die Nummer, sondern wer an der anderen Seite drangeht.