Analyse: Erzfeinde Iran und USA gegen Terrormiliz IS

Teheran (dpa) - Das hat es in den vergangenen 35 Jahren nicht gegeben. Irans Erzfeind USA, der „Große Satan“, greift in einem islamischen Nachbarland an und die Regierung in Teheran bleibt stumm. Kein Wort der Verurteilung, nicht einmal Kritik.

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Dann liefert Washington den Kurden in Nordirak Waffen für den Kampf gegen Dschihadisten. Der Iran macht das angeblich auch.

Und auch die politischen Entscheidungen laufen harmonisch. Im Irak wird der schiitische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki, der jahrelang vom Schiitenland Iran unterstützt wurde, zum Verzicht gezwungen. Wieder kein einziger kritischer Ton aus Teheran.

Dann findet der neue Mann, Haidar al-Abadi, die Anerkennung von Präsident Barack Obama, kurz danach die des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani. „Das erinnert mich an den Film The Odd Couple (Ein seltsames Paar) und ist in der Tat ein Novum“, sagt ein ausländischer Diplomat in Teheran.

Grund für die plötzliche Harmonie ist die sunnitische Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), die Teile des Iraks besetzt hat. Für die IS stehen die Schiiten im Iran - genauso wie die Jesiden - auf einer Stufe mit Ungläubigen. Teheran macht Gruppen wie die IS, Al-Kaida und die Taliban in Afghanistan für die weltweite „Islamphobie“ - und damit auch Iranphobie - verantwortlich. „Das sind brutale Extremisten, die nichts mit dem Islam gemeinsam haben“, sagt der iranische Ex-Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani.

So hat der gemeinsame Feind aus den alten Feinden gewissermaßen neue Freunde gemacht. Zwar wird eine iran-amerikanische Allianz in der Sache in Teheran nicht bestätigt, dementiert wird sie aber auch nicht. „Eine Zusammenarbeit des Irans mit den USA gegen die IS wäre durchaus machbar“, sagt Mohammed Sadr, ein enger Berater des iranischen Außenministers. Auch Präsident Ruhani hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er mit seinem amerikanischen Amtskollegen über eine Zusammenarbeit gegen die IS reden würde, falls Obama ihn anriefe.

Ob Obama angerufen hat oder nicht, bleibt ein Geheimnis zwischen den beiden. Aber die Vizeaußenminister beider Länder trafen sich kurz vor den US-Angriffen unangekündigt in Genf. Zu Atomverhandlungen, hieß es. „Allahu alaam (Gott weiß es am besten), was da wirklich besprochen wurde“, sagt ein Politologe in Teheran.

Wie genau diese Zusammenarbeit der beiden im Nordirak aussieht, wird wohl nie ans Licht kommen. Aber alles deutet darauf hin, dass es sie gibt. „Der Iran braucht eigentlich gar nichts zu machen, nur die Amerikaner und den Westen an ihren Einsätzen nicht hindern“, sagt ein arabischer Diplomat in Teheran.

Präsident Ruhani aber verfolgt mit der neuen Zusammenarbeit ein höheres Ziel. Um jeden Preis will er die im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten und für das Land schmerzhaften Wirtschaftssanktionen beenden. Dafür braucht er aber in erster Linie den Segen des „Großen Satans“. Die Zusammenarbeit in Irak soll offensichtlich Vorgeschmack sein. „Mit der kompletten Aufhebung der Sanktionen könnte man dann sogar noch besser und enger zusammenarbeiten“, so der Präsident.