Analyse: Exotische Mücken breiten sich aus
Greifswald/Müncheberg (dpa) - Surr, surr - autsch. Jeden Sommer stechen die Mücken zu. Dieses Jahr scheint die Plage besonders schlimm. Denn das Wetter bietet ideale Voraussetzungen für eine massenhafte Vermehrung der Insekten.
Erst gab es Regen - dann kam die Hitze.
Wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, ob es wirklich mehr Stechmücken als in anderen Jahren gibt, liegen allerdings nicht vor. „Das sind alles persönliche Eindrücke“, sagt Helge Kampen vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Insel Riems bei Greifswald. Nachgewiesen sind dafür immer mehr Mücken-Exoten. Sie können gefährliche Viren übertragen.
Die Forschung zu den heimischen Mückenarten habe in Deutschland Jahrzehnte lang weitgehend brach gelegen, bedauert Kampen. „Seit der Ausrottung der Malaria in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gab es dafür kaum noch Forschungsgelder.“ Über die exotischen Einwanderer aber sei mehr bekannt, denn sie gelten als gefährlicher.
So wurde die Asiatische Tigermücke in Süddeutschland, am Oberrhein und in Bayern wiederholt gesichtet. Allerdings scheint sie bislang die deutschen Winter nicht zu überstehen. In Italien ist sie dagegen schon weit verbreitet. Kampen hält es aber für möglich, dass sich die Asiatische Tigermücke langsam nach Norden hin ausbreitet - und auch an das kühlere Klima anpasst. Sie kann mehr als 20 teils gefährliche Viren auf den Menschen übertragen, darunter das Chikungunya-Virus und das Dengue-Virus. Infektionen mit diesen Viren seien in Italien, Südfrankreich und Kroatien schon nachgewiesen.
Die Asiatische Buschmücke hingegen, die vermutlich über den weltweiten Gebrauchtreifenhandel nach Europa kam, hat sich in Deutschland dagegen schon etabliert und breitet sich Kampen zufolge in Richtung Norden aus. „2008 wurde sie erstmals für Europa in der Schweiz nachgewiesen, 2012 dann auch in Nordrhein-Westfalen.“ In Baden-Württemberg habe die Asiatische Buschmücke, die allerdings als weniger gefährlich gilt als die Tigermücke, schon weite Gebiete bis nördlich von Stuttgart erobert.
Entdeckt wurde das Vorkommen der Asiatischen Buschmücke in Nordrhein-Westfalen nicht von Wissenschaftlern, sondern von Laien. Sie haben die Stechmücken gefangen und für den Deutschen Mückenatlas eingeschickt. Im vergangenen Jahr gingen im zuständigen Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg (Brandenburg) mehr als 2000 erlegte Plagegeister ein. In diesem Jahr rechnet man dort mit noch mehr. Bisher sind etwa 800 Mückenfänge in Schächtelchen und Fläschchen verpackt eingetroffen. Dort werden sie bestimmt und die Vorkommen in eine Deutschlandkarte eingetragen.
„Das ist eine wichtige Arbeit für uns“, sagt Forscher Kampen in Greifswald. Denn die etwas mehr als 100 Duftfallen, die Wissenschaftler bundesweit für Stechmücken aufgestellt haben, reichten bei weitem nicht aus, um die geografische Verteilung und Intensität der Mückenvorkommen zu erforschen.
Auch einheimische Arten können unter bestimmten Umständen gefährlich werden, meint Kampen. So sei es den Forschern ein Rätsel, warum das Westnilfieber bisher in Deutschland noch nicht aufgetreten ist. „Das Virus wird in den USA und auch in einigen europäischen Ländern von Mücken übertragen, die in die Verwandtschaft der gemeinen Hausmücke gehören.“ Die gemeine Hausmücke ist die häufigste der rund 50 Stechmückenarten in Deutschland.
In den vergangenen beiden Jahren habe es in Griechenland eine Westnilfieber-Epidemie mit mehreren Todesfällen gegeben, berichtet Kampen. Die vernachlässigte Forschung könnte sich also noch rächen. Der Wissenschaftler erinnert in dem Zusammenhang an die Blauzungenkrankheit, die vor allem Schafe und Rinder befällt und deren Erreger von Gnitzen - stechmückenähnlichen Tierchen - übertragen wird. „Man war davon ausgegangen, dass die Krankheit in Deutschland nicht auftreten könne, und dann war sie plötzlich da.“ In Windeseile musste ein Impfstoff entwickelt werden.