Analyse: FDP-Endspiel in Düsseldorf

Düsseldorf/Berlin (dpa) - Der Parteichef musste draußen bleiben. Die entscheidende Runde in Düsseldorf fand unter sechs Augen statt, ohne Philipp Rösler.

Der Landesvorsitzende Daniel Bahr, Fraktionsboss Gerhard Papke und Christian Lindner zogen sich zum vertraulichen Gespräch in einen Hotelraum zurück.

Vizekanzler Rösler, der extra eine USA-Reise absagte, durfte nicht rein. Zwar lassen sich selbstbewusste Landesverbände traditionell nicht gern von der Bundesspitze gängeln. Doch die Lage der FDP ist existenziell. Lindner sagte zu Röslers Rolle im „Deutschlandfunk“: „Er hat an den Beratungen teilgenommen und war ein willkommener Gast.“

Danach war Lindner, nicht einmal 100 Tage nach seinem Rücktritt als FDP-Generalsekretär in Berlin, zurück im Geschäft. Als Hoffnungsträger für die Neuwahl am 13. Mai in Düsseldorf - und Schwergewicht in der FDP.

Röslers Schicksal hängt nun ausgerechnet von Lindner und dem Kieler „enfant terrible“ Wolfgang Kubicki ab, der ebenfalls im Mai an der Förde um den Verbleib im Landtag kämpft. Auch wenn nach der Lindner-Wiedergeburt alle Beteiligten betonten, zum Wohle der Partei Egos und Interessen zurückgestellt zu haben: Verlierer gibt es.

Daniel Bahr ist bald nur noch Bundesgesundheitsminister. Seine Machtbasis, den Landesvorsitz in Nordrhein-Westfalen, musste er völlig überraschend aufgeben. Bahr selbst traute sich ganz offensichtlich nicht, die Landtagsfraktion wollte Lindner. Eine bittere Niederlage für den machtbewussten Strippenzieher Bahr (35) aus Münster.

Lindner (33) wiederum wollte nicht als freischwebender Spitzenkandidat in das Wagnis Neuwahl gehen: „Das ist für mich eine Bedingung gewesen, weil ich nicht ein Verlegenheitskandidat bin.“ Als NRW-Parteichef hat er eine Lebensversicherung für die Zeit danach. Diese Rechnung könnte aufgehen, unabhängig vom Wahlausgang.

Der zweite Verlierer der Düsseldorfer Rochade ist Rösler (39). Er wollte Bahr auf Platz eins der Landesliste sehen, nicht Lindner, der ihn mit dem Rücktritt als General düpiert hatte.

Schon das fast selbstmörderische Vorgehen der NRW-FDP, das mit zur Auflösung des Landtags führte, wollte oder konnte Rösler nicht verhindern. Das war bereits Anfang des Jahres im Saarland so, als ihn die CDU mit dem Bruch der „Jamaika“-Koalition überrumpelte.

Rösler muss nun darauf hoffen, dass Lindner und Kubicki über die 5-Prozent-Hürde kommen. Das könnte seine Position festigen. Wie unberechenbar die FDP aber ist, hat das Comeback von Lindner gerade bewiesen. Gehen die Wahlen im Saarland, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verloren, dürfte Rösler kaum zu halten sein. Und dann?

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rainer Brüderle (66), könnte als Übergangschef die Partei stabilisieren, bei der Bundestagswahl Kernwähler in Mittelstand und Mittelschicht ansprechen und den Wiedereinzug ins Parlament retten. Das würde auch der CDU-Spitze gefallen.

Das ist Zukunftsmusik. Lindner, der Luftwaffen-Hauptmann der Reserve, übernimmt in Nordrhein-Westfalen nun eine Aufgabe, die viele als Himmelfahrtskommando sehen. Er soll die Liberalen in nur zwei Monaten aus dem Umfragekeller zurück in den Landtag führen. Für die FDP ist die kleine Bundestagswahl fast schon das Endspiel. „Es geht um die Zukunft der FDP“, sagte Lindner selbst und legte so die Messlatte für seine Aufgabe fest. Fliegt die FDP im einwohnerstärksten Bundesland aus dem Parlament, dürfte ihr das Totenglöckchen noch lauter läuten.

Lindner kehrt auf vertrautes Terrain zurück. Anders als Bahr hat er landespolitische Erfahrung. „Wir schicken den besten Mann“, rühmte Rösler seinen einstigen Vertrauten. Spannend werden die gemeinsamen Wahlkampfauftritte. Die Freundschaft ist abgekühlt, nun müssen sich beide für das letzte Gefecht in Düsseldorf zusammenraufen. Eine gewisse Genugtuung dürfte für Lindner sein, dass er der Star sein wird - allerdings einer inzwischen äußerst unbeliebten FDP.

Wenn jemand die immerhin knapp 16 000 Köpfe starke Parteibasis in Nordrhein-Westfalen für den Wahlkampf mobilisieren könne, dann der Ex-Generalsekretär, heißt es deshalb bei seinen Unterstützern. Und noch ein Plus kann Lindner in die Waagschale werfen. Er zieht großes Interesse der Medien auf sich. In dem kurzen Frühlings-Wahlkampf, der NRW bevorsteht, ist das nicht zu unterschätzen.