Analyse: Franziskus - ein Name als Programm

München/Rom (dpa) - Er ist einer der populärsten Heiligen der katholischen Kirche. Auch viele Nichtchristen verehren ihn. Aber noch nie zuvor hat sich ein Papst nach ihm benannt. Franziskus - ein sprechender Name, ein gewaltiges Programm.

Franziskus hätte sich ein schönes Leben machen können. Als Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers genoss er eine gute Ausbildung und feierte mit Freunden ausschweifende Partys. Doch ein Bekehrungserlebnis führte zur Wende. Franz von Assisi (1181/82-1226) gab Wohlstand und Privilegien auf, gründete einen Bettelorden und reformierte die Kirche. Der Name, den der neue Papst sich gegeben hat, ist Programm: zurück zur Einfachheit, Bescheidenheit und prophetischen Entschiedenheit des Wanderpredigers Jesus von Nazareth.

„Franziskus, geh hin und bau mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät“ - so soll der gekreuzigte Christus im Jahr 1206 in einer heruntergekommenen Kirche in San Damiano zu Franz gesprochen haben. Dieser verstand das wörtlich und renovierte die Kapelle. Doch aus seiner Lebenswende entstand eine Bewegung, die zu einer Erneuerung der gesamten Kirche führte - 300 Jahre vor dem Reformator Martin Luther.

Im Frühjahr 1207 entkleidete sich Franziskus auf dem Domplatz von Assisi (Mittelitalien) und sagte sich öffentlich von seinem Vater und seinem Erbe los. Er wurde Einsiedler und scharte Anhänger um sich, die wie er in radikaler Armut lebten und sich um Arme und Kranke kümmerten, barfuß, demütig, nur mit einer Kutte bekleidet, nach dem Vorbild der Jünger Jesu. Aus dem Franziskaner-Orden entstanden auch die Minoriten und die Kapuziner.

An diese Tradition hat der neue Papst bei seinem ersten Auftritt angeknüpft: In schlichter weißer Soutane trat er vor die Gläubigen. Kein Hermelinfell, kein Brokat, keine prunkvollen Insignien der Macht. Eine bescheidene Ansprache, auch ein Schuss Humor und Selbstironie.

Franz von Assisi, der 1228 heiliggesprochen wurde, wollte die satt und selbstgerecht gewordene Kirche aufrütteln. So war es oft in der Geschichte: In den großen Krisenzeiten schlug die Stunde der Orden. Benediktiner, Franziskaner, Dominikaner, Jesuiten: Sie wollten die Kirche zurückführen zu ihren prophetisch-monastischen Ursprüngen.

„Selig sind die Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich“, predigte Jesus laut biblischem Zeugnis. Armut ist dabei nicht nur materiell gemeint, sondern auch als Verzicht auf Macht, Intrigen, Korruption, Habsucht, Intoleranz und Selbstgerechtigkeit - also auf manches, was an Verhaltensweisen auch innerhalb der römischen Kurie in den vergangenen Jahren an die Öffentlichkeit gelangte. Armut zudem als Solidarität mit den Armen und Entrechteten - so wie Jorge Mario Bergoglio als Erzbischof von Buenos Aires einen stärkeren Kampf gegen Armut forderte.

Erwartet wird, dass er auch die pazifistische und ökumenische Tradition seines neuen Namens betonen wird. Seit 1986 treffen sich in Assisi Vertreter aller Weltreligionen zum Dialog und Gebet. Der Bettelmönch Franz hatte sich 1219 als Missionar einem Kreuzfahrerheer angeschlossen und predigte dabei auch im Lager des muslimischen Heeres, sprach mit dem Sultan, der sich tief beeindruckt zeigte.

Franziskus, der als Giovanni Battista Bernardone geboren wurde, war auch ein Freund der Tiere und der Umwelt. In seinem „Sonnengesang“ lobte er Gott „durch Schwester Wasser“, „Bruder Wind“ und „Mutter Erde“. In seiner „Vogelpredigt“ sprach er mit Tieren. Sein Todestag 4. Oktober ist der Welttierschutztag. Papst Johannes Paul II. ernannte Franziskus 1980 zum Patron des Umweltschutzes. Abzuwarten bleibt, wie weit der neue Papst diese Öko-Seite seines Namens akzentuiert, die angesichts von Klima-Kollaps und globaler Umweltkatastrophen sehr aktuell ist.