Analyse: Härtetest bestanden - aber auch nicht mehr
Frankfurt/Main (dpa) - Entspannung ja, Entwarnung nein. Die großen Euro-Krisenländer Italien und Spanien haben ihre ersten Bewährungsproben am Anleihemarkt im neuen Jahr bewältigt. Doch die Lage bleibt prekär.
Nach einem positiven Auftakt am Donnerstag konnten die hohen Erwartungen an eine weitere Auktion am Freitag nur mit deutlichen Abstrichen erfüllt werden. Außerdem nimmt die große Refinanzierungswelle ohnehin erst Fahrt auf.
Vor allem Italien lässt Investoren weiter zittern. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone muss in den kommenden drei Monaten mehr als 140 Milliarden Euro an fälligen Schulden an Gläubiger zurückzahlen. Insgesamt beläuft sich der Refinanzierungsbedarf in diesem Jahr auf rund 300 Milliarden Euro.
Italien gilt in der europäischen Schuldenkrise als entscheidender Dominostein. Etliche Experten gehen davon aus, dass sich dort das Schicksal der Währungsunion entscheidet. Im Ernstfall dürften sämtliche bestehenden Rettungsnetze nicht ausreichen, um das Land aufzufangen.
Umso erleichterter reagierten die Finanzmärkte, als der Start des diesjährigen Refinanzierungsmarathons am Donnerstag glückte. Italien brachte 12 Milliarden Euro an Geldmarktpapieren, also kurzlaufenden Schuldverschreibungen, erfolgreich bei Anlegern unter. Fast zeitgleich fiel die Nachfrage nach neuen Staatstiteln aus Spanien sehr robust aus. Das Land konnte mit knapp 10 Milliarden Euro etwa doppelt soviel frisches Geld einsammeln wie ursprünglich geplant.
Entsprechend hoch waren die Erwartungen, als sich Italien am Freitag mit einer Auktion von Anleihen erneut an den Markt wagte. Die Hoffnungen konnten jedoch nicht voll erfüllt werden: Wenngleich die Zinsen gegenüber der letzten Versteigerung leicht zurückgingen, verlangten Investoren weiterhin einen erhöhten Risikoaufschlag.
„Nach den sehr guten Auktionen am Donnerstag hat man insgesamt wohl ein besseres Ergebnis erwartet“, sagte Sintje Boie, Anleihe-Expertin der HSH Nordbank. Etwas positiver fällt die Bewertung der Analysten der italienischen Großbank UniCredit aus: Die Versteigerung sei trotz der vergleichsweise schwachen Nachfrage alles in allem positiv verlaufen.
Trotzdem stimmt es nachdenklich, dass die Investoren im dreijährigen Laufzeitbereich nicht beherzter zugriffen. Denn über exakt diesen Zeitraum hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Geschäftsbanken der Eurozone erst im Dezember Kredite in Höhe von fast 500 Milliarden Euro zum außergewöhnlich niedrigen aktuellen Zinsniveau von 1,0 Prozent ausgereicht. Damit bot die Notenbank quasi ein Zins-Differenzgeschäft an: Die Banken konnten das Geld direkt in die deutlich höher verzinsten Anleihen investieren.
Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel: Auch nach den geglückten Versteigerungen in Italien und Spanien bleibt die Euro-Schuldenkrise vorerst das alles beherrschende Thema an den Finanzmärkten. Wie angespannt die Lage auch im neuen Jahr ist, lässt sich nicht zuletzt am anhaltenden Sturm der Investoren auf sichere Anlagen ablesen. So gab es zu Beginn der Woche sogar einen Negativ-Zins bei einer Auktion deutscher Geldmarktpapiere. Erstmals konnte der Bund auf diese Weise daran verdienen, sich zu verschulden.
Möglich macht dies das Misstrauen der großen Investoren untereinander. Da Geschäftsbanken sich gegenseitig kaum noch Geld leihen, und die Risikobereitschaft zu gering ist, um in großem Stil beispielsweise in Aktien, Unternehmensanleihen oder Geldmarktfonds zu investieren, suchen sie verzweifelt sichere Häfen. Deshalb parken die Institute ihr Geld auch schon seit Wochen lieber zu ungünstigen Konditionen bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Summe der sogenannten Übernachteinlagen der Geschäftsbanken bei der EZB erreicht seit Beginn des Jahres beinahe täglich neue Rekordwerte.
Auch wenn am europäischen Anleihenmarkt die erste Hürde im neuen Jahr erfolgreich genommen wurde, kann von einer Entwarnung in der Schuldenkrise keine Rede sein. Angesichts der immensen Summen, die sich Italien in diesem Zeitraum an den Kapitalmärkten beschaffen muss, gilt das gesamte erste Quartal als höchst problematisch. Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen warnt: „Die Entspannung der Staatsschuldenkrise dürfte nicht von Dauer sein.“