Analyse: Hoffnungen der Linken zerschlagen sich
Tel Aviv (dpa) - Bei der Parlamentswahl in Israel ging es nur um eine Frage: „Bibi oder nicht Bibi?“ Also: Wird Benjamin Netanjahu erneut Ministerpräsident? Selbst die arabischen Parteien hatten das erklärte Ziel, Netanjahus vierte Amtszeit zu verhindern.
Es ist ihnen nicht gelungen.
Sah es in der Nacht noch nach einem Patt aus, das die Opposition hoffen ließ, drehte sich am Morgen das Blatt. Netanjahus Likud-Partei hat bis zu 30 Sitze errungen - und damit mindestens fünf Sitze mehr als sein Herausforderer Izchak Herzog. Wieder einmal ist Netanjahu als Sieger einer israelischen Wahl hervorgegangen. Allen Prognosen zum Trotz, die Herzog in Führung gesehen hatten.
Netanjahus Likud ist die stärkste Kraft geworden: So viel steht fest. Doch wie die Regierung in Israel aussehen wird, ist damit noch lange nicht entschieden. Für eine Koalitionsbildung muss Netanjahu unterschiedliche Kräfte ins Boot holen.
„Der Schlüssel liegt bei Mosche Kachlon von Kulanu und Avigdor Lieberman von Israel Beitenu“, sagt Mark Heller, Experte am Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Herzlija. „Und beide können nicht gut mit Netanjahu.“ Kulanu ist die Partei-Neugründung eines früheren Likud-Politikers, die vor allem auf Wirtschaftsliberalisierung setzt.
Um potenzielle Wähler anzulocken, war Netanjahu kurz vor der Wahl politisch noch einmal deutlich nach rechts gerückt. Noch am Wahltag sorgte er mit Warnungen vor „Massen arabischer Wähler“ für Empörung. Auch gab der Likud-Chef erstmals ganz offiziell die Idee eines unabhängigen Palästinenserstaates auf. Zuvor hatte er - wenn auch widerwillig - zumindest verbal einen Palästinenserstaat bejaht. In seiner Partei und im rechten Lager hatte er dafür herbe Kritik geerntet.
Während der Wahl konzentrierte er sich auf sein klassisches Thema: Sicherheitspolitik. Angesichts der Umwälzungen im Nahen Osten und des Vormarsches der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) warnte er, jedes von Israel geräumte Gebiet werde in die Hände islamistischer Kräfte fallen. Weitere Konzessionen an die Palästinenser seien daher undenkbar.
Eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Palästinensern scheint nach Netanjahus jüngsten Äußerungen vom Tisch zu sein. Das Mitte-Links-Bündnis widmete seinen Wahlkampf dagegen sozialen Themen.
Nach den ersten Prognosen hatte Präsident Reuven Rivlin am Dienstagabend öffentlich klargemacht, welche Konstellation ihm für eine Regierung am liebsten wäre: Rivlin bevorzugt eine große Koalition aus Likud und Zionistischem Lager. Doch Herzog und auch Netanjahu hatten dies vor der Wahl abgelehnt. Und selbst eine „große“ Koalition bräuchte weitere Partner zum Regieren.
Netanjahu scheint sich seiner Mitte-Rechts-Regierung schon sicher zu sein. Am Mittwoch kündigte er schnelle Koalitionsgespräche hauptsächlich mit rechten und religiösen Parteien an. Bereits in zwei bis drei Wochen will er seine neue Regierung aufgestellt haben.