Analyse: Informationspolitik nach Gutsherrenart

Berlin (dpa) - Dem Krisengespräch mit der Bundeskanzlerin folgt ein missglücktes Krisenmanagement. Der Verteidigungsminister versucht einen Befreiungsschlag und kommt noch mehr unter Druck. Seine ganze Kraft braucht aber die Truppe.

Aus Afghanistan meldet sich wieder der Tod.

Das Tor war nur für einen kurzen Moment geöffnet. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wollte sich für mögliche Fehler bei der Kennzeichnung von Fremdtexten in seiner Doktorarbeit entschuldigen.

Ein wichtiger Auftritt in eigener Sache, der über die Zukunft eines Politikers entscheiden kann. Wenige Minuten, in denen der Minister mit dem selbst angehefteten Image der Glaubwürdigkeit versuchen wollte, Fälschungsvorwürfe zu entkräften.

Doch im Wortsinn ließ der Freiherr dieses Tor vor seinem Ministerium früh wieder verriegeln. Eher nach Gutsherrenart gewährte der 39-Jährige nur einem kleinen Kreis von Journalisten Einlass, verlas seine Erklärung, beantwortete keine Fragen und verschwand. Die von ihm sonst so geliebte Öffentlichkeit, blieb diesmal weitgehend außen vor. Nur eine kurze Autofahrt entfernt wartete zeitgleich die versammelte Hauptstadtpresse vergebens auf seine Stellungnahme.

Ein einmaliger Vorgang, der zu einer seltenen Protestnote der Bundespressekonferenz führte. Auch bei ihr entschuldigte sich der Minister dann. Nun hat er ein Problem mehr. In der Unionsfraktion machte sich am Freitag schnell Erschrecken über das Krisenmanagement des Ministers breit. „Das war kein Befreiungsschlag“, hieß es in der CSU. „Das ist eine sehr brisante Lage“, verlautete aus der CDU.

Guttenberg hat schon einmal bewiesen, dass er vor aller Welt Fehler einräumen kann. Ende 2009, gerade erst im Amt, korrigierte er seine Einschätzung, der von einem deutschen Oberst befohlene Luftangriff im nordafghanischen Kundus mit vielen Toten und Verletzten sei trotz Verfahrensfehlern angemessen gewesen. Er war nicht angemessen, erklärte der Minister dann. Er warf den damaligen Generalinspekteur und den Staatssekretär raus.

Diesmal kann Guttenberg niemanden entlassen. Es geht nicht um militärische Fehler, nicht um Versäumnisse im Amt, sondern um eine Doktorarbeit, die nichts mit dem Verteidigungsministerium zu tun hat. Es geht um seine Leistung - und um seine Glaubwürdigkeit. Es geht darum, ob er sich an seinen hohen Maßstäben selbst messen lässt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) saß mit Guttenberg am späten Donnerstagabend im Kanzleramt zusammen, um seine Sicht zu hören. Welche Ratschläge sie ihm gab, ließ sie nicht mitteilen. Nur, dass sie „volles Vertrauen“ in ihren Verteidigungsminister habe. Öffentlich äußerte sie sich zunächst nicht. Via SWR-Interview erklärte sie später, Guttenberg gehe „sehr offensiv“ mit den Vorwürfen um. Fragen zu einem Rücktritt nannte sie Spekulation.

Für sie selbst und die ganze Regierung wäre ein Rückzug Guttenbergs ein empfindlicher Schlag. Er ist weiterhin der beliebteste Politiker des Landes, sieben Landtagswahlen stehen bevor, und Guttenberg gilt unbestritten als politisches Ausnahmetalent.

Auch eine weitere Beschädigung, ein Vertrauens- oder ein Glaubwürdigkeitsverlust des Ministers wäre ein Problem. Denn die Truppe steht mit der Abschaffung der Wehrpflicht und der drastischen Verkleinerung der Streitkräfte vor ihrer tiefgreifendsten Reform. Merkel versicherte: „Dafür braucht er meine Unterstützung, und dafür bekommt er sie auch.“ Das Wörtchen „dafür“ lässt aufhorchen. Denn zu inhaltlichen Vorwürfen gegen die Doktorarbeit schwieg sie.

Just vor seinem Auftritt im abgeschirmten Ministerium erreichte Guttenberg die wohl schlimmste Nachricht, die der Oberkommandierende der Bundeswehr erhalten kann: Ein 30-jähriger Hauptfeldwebel wurde bei einer Schießerei in Nordafghanistan getötet. Deshalb sei er auch im Ministerium geblieben, hieß es. Allerdings rechtfertigt das aus Mediensicht nicht die Einschränkung für die Journalisten. Denn der Einsatz in Afghanistan ist von höchstem öffentlichen Interesse.

Am Abend gab der Minister ein weiteres Statement im Ministerium. Diesmal ohne vorzeitigen Torschluss. Er teilte mit, dass ein zweiter Soldat in Afghanistan an seinen Verletzungen gestorben ist.

Nun liegt das Schicksal des Ministers zunächst in der Hand der Universität Bayreuth. Sie entscheidet in wenigen Wochen, ob ihm der Doktortitel aberkannt wird. Ob er dies politisch überstehen würde, bezweifelt nicht nur die Opposition.