Analyse: Islamkritik als Markenkern
Stuttgart (dpa) - Burschenschaftler sitzen neben Männern mit Pferdeschwanz und Ziegenbärtchen. Tätowierte Atheisten streiten mit frommen Christen und Verschwörungstheoretikern.
Der Bundesparteitag der Alternative für Deutschland in Stuttgart hat gezeigt, dass es vor allem zwei Dinge sind, die diese von Männern dominierte Truppe zusammenhält: die Ablehnung fremder Kulturen und das Gefühl, gemeinsam gegen ein finsteres Kartell von Parteien, linken Demonstranten und Medien anzukämpfen. Dass linke AfD-Gegner in der Nacht zum Sonntag die Namen und Privatadressen der Teilnehmer im Internet veröffentlichen, bestärkt sie in diesem Gefühl.
„Mut. Wahrheit. Deutschland“, steht auf den rot-blauen Bannern, die rechts und links vom Podium hängen. Während christliche Parteimitglieder am Sonntagmorgen in einem Nebenraum gemeinsam beten, verteilt ein Mann drinnen im Saal ein Flugblatt mit der Überschrift „Suren, die jeder kennen muss“. Aufgelistet findet man dort ausschließlich Textstellen aus dem Koran, in denen es um die Legitimierung von Gewalt geht. Es sind Suren, die auch von militanten Salafisten gerne zitiert werden.
So wie die „Dschihadisten“, so blenden auch die Islam-Gegner der AfD alles aus, was mit Toleranz und Versöhnung zu tun hat. Damit wollen sie den Boden für die anstehende Debatte zum Schutz der deutschen „Kultur, Sprache und Identität“ bereiten, in dem es um den Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ geht und um ein Verbot der Vollverschleierung. Die Kritik am Islam nimmt auf diesem Parteitag mehr Raum ein als jedes andere Thema.
Begonnen hat die Veranstaltung für die AfD-ler am Samstag mit einem Spießrutenlauf. Vorbei an laut schreienden linken Demonstranten mit Nazis-raus-Plakaten. „Mensch, sind die aggressiv, ich habe eben richtig Herzrasen gekriegt“, sagt ein weibliches Parteimitglied. Dann reiht sich die blonde Frau in die Warteschlange am Einlass ein.
Auch im Saal und auf dem Podium läuft nicht alles rund. Während einige Mitglieder des Bundesvorstandes miteinander scherzen und plaudern, schweigen andere eisig vor sich hin. Die Parteivorsitzende Frauke Petry stolpert, verliert einen hochhackigen Schuh. Dann nimmt sie Platz, ganz am Rand. Später sagt sie: „Der Start war ein bisschen schwerfällig.“
Es geht los - mit einer Stunde Verspätung. Wie immer, wenn die Mitglieder der jungen Partei zusammenkommen, hagelt es erst einmal Anträge zur Tages- und Geschäftsordnung. Ein Sympathisant des saarländischen Landesverbandes will, dass die Entscheidung des Bundesvorstandes, den Verband wegen Kontakten ins rechtsextreme Milieu aufzulösen, gekippt wird. Als Bundesvorstandsmitglied Dirk Driesang dagegenhält, ertönen aus einer Ecke laute Buh-Rufe.
„Das war eine etwas schwere Geburt bis hierin“, sagt der Parteivorsitzende Jörg Meuthen, als er nach langer Verzögerung sein Grußwort vortragen darf. Er bemüht sich, ein Auseinanderdriften der verschiedenen Flügel der Partei zu verhindern. Er sagt, die AfD sei „modern konservativ“, „freiheitlich“ und „patriotisch“.
Und er weiß, wie man die Parteiseele am besten streichelt. Mit Blick auf die Migrationsdebatte sagt er, es sei nicht hinnehmbar, „dass wir unser Land in wenigen Jahren nicht mehr wiedererkennen werden“. Der Ruf des Muezzins solle in Deutschland nie gleichberechtigt neben dem Glockengeläut der Kirchen zu hören sein, „weil wir das in großer Mehrheit nicht wollen in diesem Land“.
Dass einige führende AfD-Politiker inzwischen ein Problem mit Parteichefin Petry haben, lässt sich nicht übersehen. Von allen Vorstandsmitgliedern begrüßt sie einzig Partei-Vize Albrecht Glaser mit echter Herzlichkeit.
Als Meuthen sagt, die AfD wolle „weg vom links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland“, tobt der Saal. Nach ihm spricht Petry. Sie sagt: „Die erlaubten Meinungskorridore werden immer enger.“ Petry spricht über den Euro, über Grenzschutz und über die „Kanzlerin der Alternativlosigkeit“. Ausgerechnet als Petry vorne spricht, gibt ihr Widersacher, der rechtsnationale Thüringer AfD-Chef Björn Höcke im hinteren Teil des Saales kurz hintereinander drei Interviews. Ein Zufall?