Analyse: Keine Alternative zur Griechenland-Rettung
Brüssel/Berlin (dpa) - Treffen unter Freunden sehen anders aus: Stundenlang verhandelten die obersten Kassenhüter der Eurozone über neue Milliardenhilfen für Schuldensünder Griechenland.
Einige Finanzminister kamen mit versteinerter Miene nach Brüssel, auf die üblichen Scherze zur Auflockerung wurde verzichtet. Auch in Berlin macht sich im schier endlosen Rettungsmarathon Ernüchterung breit.
Österreichs Ressortchefin Maria Fekter gab den Tenor vor: „Die Geduld wird ziemlich strapaziert von jenen, die helfen.“ Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, Chef der Ministerrunde, forderte von Athen, endlich zu handeln: „Wir können nicht mit einem System leben, in dem dauernd nur Versprechen gemacht werden. Es müssen den Worten Taten folgen.“ In der Debatte habe es gelegentlich einen „harten Austausch“ gegeben, sonst sei die Atmosphäre exzellent gewesen. Griechenlands Ressortchef Evangelos Venizelos schien die Botschaft verstanden zu haben: „Die Stunde der Illusionen ist vorbei. Wir müssen jetzt agieren.“
Auch wenn hier und da offen oder versteckt damit gedroht wird, Griechenland pleitegehen zu lassen: Die Europäer wissen, dass sie den Partner im Südosten des Kontinents nicht fallenlassen können. „Die Ansteckungsgefahr in der Schuldenkrise wird dramatisch steigen, wenn ein Land scheitert“, warnte ein hoher EU-Verantwortlicher.
So könnte das Krisenland Portugal schwer ins Wanken geraten, falls Griechenland scheiterte. Hinter den Kulissen wird täglich darauf gepocht, die Beruhigung auf dem Anleihenmarkt für Risikoländer wie Italien doch bitte nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
So jagt ein Sondertreffen in Europas Hauptstadt das andere, an diesem Mittwoch wollen die Euro-Finanzminister das nächste Mal zusammenkommen. Dann soll das Griechenland-Paket mit einem Umfang von 130 Milliarden Euro endlich unter Dach und Fach gebracht werden.
Die Eurostaaten setzen auf maximalen Druck, um Athen endlich zu Zugeständnissen zu zwingen und die heimischen Wähler zu beruhigen. So müssen alle Regierungsparteien versichern, dass sie mitziehen, auch das Parlament soll die Vereinbarung förmlich bestätigen. EU- Währungskommissar Olli Rehn kündigte an, dass der Schuldensünder strenger überwacht werde. Einen „Sparkommissar“, wie er zeitweise in Deutschland gefordert wurde, soll es aber nicht geben.
Dass die Geduld auch beim EU-Großfinanzier Deutschland strapaziert ist, bemüht sich im Berliner Regierungsviertel indes kaum noch jemand zu verbergen. Längst schwant vielen, dass die dramatische Lage in Athen im Grunde nur noch eine Wahl zwischen Pest und Cholera lasse. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannte, der eingeschlagene Kurs sei für sie der „Weg des geringsten Schadens“, den sie „noch am meisten verantworten“ könne. Eine Staatspleite des Euro-Partners - wie in manchem Gedankenspiel erwogen - wäre völlig unkalkulierbar. „Dann haben wir ein Haftungsrisiko am Hacken“, das nicht mehr beherrschbar sei, mahnte Merkel laut Teilnehmern in der Unionsfraktion.
Dabei rumort es auch unter Abgeordneten, die nicht täglich mit den Details der Eurokrise ringen. Die Sorge: Kann es Athen überhaupt noch schaffen, die Kurve zu kriegen? Unbedingt müssten die Griechen jetzt beweisen, dass sie die Reformanstrengungen wirklich umsetzen, lautet die Erwartung. Zum Schwur für die schwarz-gelbe Koalition soll es nun erst am 27. Februar kommen, wenn der Bundestag voraussichtlich über das gesamte Rettungspaket abstimmt. Am dramatischen Signal einer eilig einberufenen Sondersitzung bestand nun kein Interesse. Am Ende dürfte für Merkel in den eigenen Reihen zählen, dass ihre Position als Euro-Krisenmanagerin unangefochten ist - und ihr Punkte bringt. Laut aktueller Umfrage bewerten es 69 Prozent der Deutschen als gut.