Analyse: Merkel und Westerwelle sind erleichtert

New York (dpa) - Es gibt wohl kaum einen besseren Ort, um mitzuverfolgen, wie Weltgeschichte gemacht wird. Guido Westerwelle jedenfalls saß gerade zum ersten Mal im UN-Sicherheitsrat, als die Nachricht vom Rücktritt von Husni Mubarak die Runde machte.

Nicht etwa, dass das wichtigste UN-Gremium mit seinen festen Ritualen dafür seine Sitzung unterbrochen hätte. Aber nach und nach blinkten auf den Handys der Außenminister die Meldungen auf.

Wenige Minuten später stand Westerwelle vor den Fahnen der 15 gegenwärtigen Ratsmitglieder, um den Rücktritt zufrieden zu kommentieren. „Wir sind Zeugen eines historischen Umbruchs“, sagte der FDP-Chef. „Wir freuen uns, das jetzt der Weg frei ist für einen politischen Neuanfang. Er muss in Richtung Demokratie gehen.“

Dass der erste Auftritt eines deutschen Außenministers im Sicherheitsrat seit 2004 anders ablaufen könnte als geplant, hatte sich abgezeichnet. Spätestens am Abend zuvor. Die letzte Mubarak-Rede nach 29 Jahren als Staatschef verfolgte Westerwelle schon im 22. Stock der deutschen UN-Vertretung in New York. Als der Rücktritt da noch ausblieb, machte er aus seiner Enttäuschung keinen Hehl.

Gefordert hatte das die Bundesregierung nie - zu groß war die Befürchtung, dass eine solche „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ als Vorwand genutzt werden könnte, um die Proteste niederzuknüppeln. Umso größer war daher nun die Erleichterung, als sich Mubarak aus Kairo ans Rote Meer absetzte und sein Vize Omar Suleiman schließlich doch den Abgang des 82-jährigen Potentaten bekanntgab.

Parallel zu Westerwelle in New York ging Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin vor die Kameras. Mit seinem Rücktritt habe Mubarak seinem Land einen „letzten Dienst“ erwiesen, sagte die Regierungschefin. Den Ägyptern wünschte sie jetzt eine Gesellschaft „ohne Korruption, Zensur, Verhaftung und Folter“. Die Bundesregierung erwarte, dass auch die neue Führung am Nahost-Friedensprozess sowie den Verträgen mit Israel festhalte.

Unisono freuten sich Kanzlerin und Außenminister mit den Millionen von Ägyptern, die auf die Straße gingen. „In ihren Augen kann man sehen, welche Kraft die Freiheit entfalten kann“, sagte Merkel. Und Westerwelle, viele tausend Kilometer weiter, jubilierte: „Wir freuen uns sehr auch mit den jubelnden Menschen, die sich jetzt auf den Weg machen, eine bessere Zukunft zu bauen.“

Ganz vorsichtig ließ der Außenminister anklingen, dass Ägypten nun ebenso wie Tunesien Vorbild für andere arabische Länder sein könnte. „Es gibt hier keine Generalregel für Länder. Aber es gibt eine Idee, die sich verbreitet: die Idee der Demokratie.“ Zur Unterstützung will Westerwelle an diesem Samstag nach Tunis reisen.

Wie aber wird der Wandel im 80-Millionen-Einwohner-Land Ägypten aussehen? Auch die Bundesregierung ist sich darüber nicht im Klaren. Auf jeden Fall gibt es aus Deutschland für Ägypten das Angebot eine „Transformationspartnerschaft“. Soll heißen: Hilfe beim Übergang. Was Personalfragen angeht, blieben die Deutschen vorsichtig. „Wir haben verschiedene Gesprächspartner, sowohl auf Seiten der Regierung als auch in der Opposition“, sagte Westerwelle. Auch der Zeitpunkt, wann nun der neue Präsident gewählt werden soll, sei ausschließlich „Sache des ägyptischen Volkes“.

Klar ist aber, dass dies schneller geschehen könnte als geplant. Als mögliche Mubarak-Nachfolger werden von deutscher Seite neben dem alten Geheimdienstler Suleiman, zu dem es seit langem gute Kontakte gibt, vor allem zwei weitere Mitt-Siebziger genannt: der neue Ministerpräsident Ahmad Schafik, ehemaliger Chef der Luftwaffe, sowie der Generalsekretär der arabischen Liga, Amre Mussa. Auch ihn kennt man in der Bundesregierung gut.