Analyse: Munition für den Bundestagswahlkampf
Berlin (dpa) - Als ob die Aussagen von der Opposition bestellt worden wären: Eine Analyse von Forschern, die die Familienleistungen des Staates bewerten sollen, kommt zu wenig schmeichelhaften Befunden.
Geld bewege wenig, das erfolgreichste Rezept seien mehr Kita-Plätze
Für Kristina Schröder ist der Befund unangenehm. Im Herbst 2009 war eine vierjährige Bewertung von 13 zentralen familienbezogenen Leistungen gestartet worden. Es war zuletzt unklar, ob die CDU-Bundesfamilienministerin noch vor der Bundestagswahl die Ergebnisse der beauftragten Regierungsberater veröffentlichen wird.
Nun zitiert der „Spiegel“ aus einem angeblichen Zwischenbericht der Forscher. Demnach verpufft ein großer Teil der 200 Milliarden Euro an Geldtransfers, Steuernachlässen und Versicherungsleistungen Jahr für Jahr recht wirkungslos. Schröders Ministerium ist am Sonntag bemüht, die Geschichte herunterzuspielen. Ein Zwischenbericht sei nicht bekannt, die zitierten Befunde seien keineswegs eine Regierungsstudie. Es handele sich um Ergebnisse einer Fachtagung.
Eine Sprecherin Schröders sagt auf die Frage, ob denn der vom Familien- und vom Finanzministerium gemeinsam in Auftrag gegebene Evaluationsbericht noch vor dem Bundestagswahltermin am 22. September vorgelegt wird: „Er wird veröffentlicht, wenn er abgeschlossen ist.“ Es gebe keinen Zusammenhang mit dem Wahltermin.
Doch schön sind die durchgesickerten Urteile der Forscher nicht, weil sie von der Opposition natürlich sofort aufgegriffen werden. Das Kindergeld: „wenig effektiv“. Das Ehegattensplitting: „ziemlich unwirksam“. Die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung: „besonders unwirksam“.
Eine interne Bestandsaufnahme des Familienministeriums von 2010 umfasst 156 ehe- und familienbezogene Einzelmaßnahmen mit einem Volumen von 200,3 Milliarden Euro. Darunter fallen aber auch Leistungen wie die Witwenrente. Knapp 40 Milliarden kostet das Kindergeld und 4,9 Milliarden das Elterngeld. Fast 150 000 Euro zahlt der Staat im Schnitt pro Kind bis zum 18. Lebensjahr. Die Geburtenrate liegt mit rechnerisch 1,39 Kindern pro Frau trotzdem klar unter dem EU-Schnitt.
Demnach gibt es insgesamt ein Versagen in der Familienpolitik in den letzten Jahrzehnten, zu verantworten also von Union, FDP, SPD und Grünen gleichermaßen. Ein Befund der Forscher ist, dass bestens ausgebildete Frauen vom Job ferngehalten würden - und mangels Rentenbeiträgen die Altersarmut von morgen so noch gefördert werde.
Das wiederum trifft die Union, die mit dem ab August ausgezahlten Betreuungsgeld das Erziehen daheim stärken will. Eltern, die für ihr Kind im zweiten und dritten Lebensjahr keinen Kita-Platz oder eine staatlich bezahlte Tagesmutter in Anspruch nehmen, erhalten dann monatlich erst 100, später 150 Euro. Die Koalition rechnet mit 1,1 Milliarden Euro Kosten pro Jahr, die Opposition mit 2 Milliarden.
Die Forscher brechen den Informationen zufolge eine Lanze für den Ausbau von Betreuungsangeboten. Doch genau hier hapert es massiv. Ebenfalls ab August haben Eltern für ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf Betreuung entweder in einer Kita oder bei einer staatlich geförderten Tagesmutter. Doch nach Statistiken fehlten 2012 noch 220 000 Plätze. Den Kommunen droht eine Welle an Schadenersatzforderungen. Wenn es keine Plätze gibt, könnten mehr Eltern als gedacht das Betreuungeld in Anspruch nehmen.
Die Familienpolitik dürfte nun erst recht eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte wiederholt den Kita-Ausbau als zu schleppend kritisiert. SPD und Grüne wollen das Betreuungsgeld rückgängig machen und den Kita-Ausbau verstärken, damit Frauen nicht zu lange aus dem Arbeitsleben gerissen werden.
Die SPD plant für Eltern zudem ein flexibles Arbeitszeitmodell mit einer 30-Stunden-Woche für Vater und Mutter. Dazu soll es staatliche Zuschüsse geben. Zudem soll das Kindergeld so umgestaltet werden, dass gerade alleinerziehende, arbeitstätige Mütter mehr bekommen als bisher, während für Einkommen ab 70 000 Euro brutto die Freibeträge für Betreuung, Erziehung und Ausbildung abgeschafft werden sollen.
Zudem dringt die Opposition auf ein Ende des Ehegattensplittings, weil es ein heute nicht mehr zeitgemäßes Alleinverdiener-Modell sei. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast fordert nun Ehrlichkeit von der Bundesregierung. Schwarz-Gelb verfolge in dem Bereich ideologische Parteiinteressen. „Die Regierung Merkel drückt sich schon lange um eine fundierte Grundsatzdebatte über die deutsche Ehe- und Familienförderung“, kritisierte Künast am Sonntag.