Analyse: Nächste Börsenblase durch Internet-Goldrausch?
New York/Berlin (dpa) - Der Börsengang von Facebook facht den Web-Goldrausch an. Der Börsenwert von mehr als 100 Milliarden Dollar, die Gewinne für frühe Investoren, der Sprung von über zehn Prozent beim ersten Kurs - all das zeigt Jungunternehmern und Startup-Geldgebern gerade, wie ihr Traum zur Wirklichkeit werden kann.
Die Bewertungen, zu denen man bei einigermaßen bekannten Internet-Firmen investieren kann, schießen in die Höhe. Unter einer Milliarde Dollar geht kaum noch was. Die jüngsten Beispiele: Pinterest, eine Plattform, bei der Nutzer Bilder aus dem Netz auf ihre virtuellen Pinnwände „anheften“ können, wird plötzlich mit 1,5 Milliarden Dollar bewertet. Und das, obwohl über Pinterest das Damoklesschwert möglicher Urheberrechtsklagen schwebt. Beim Musikdienst Spotify, der viele Nutzer, aber bisher nur Verluste hat, konnte man diese Woche laut Medienberichten nur zu einer Bewertung von vier Milliarden Dollar einsteigen. Die Investoren stehen trotzdem Schlange: Keiner will das nächste Facebook verpassen.
Wer mit fulminanten Kurssprüngen am ersten Handelstag gerechnet hatte, blieb aber enttäuscht. Der erste Kurs lag bei 42 Dollar, danach pendelte sich die Aktie bei 40 Dollar ein - nur zwei Dollar über dem Ausgabepreis von 38 Dollar. Das zeigt allerdings auch, dass Facebook die Preismarke gut getroffen hat.
In der Eurphorie der vergangenen Monate fühlten sich Skeptiker immer wieder an die Internetblase um die Jahrtausendwende erinnert. Der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel twitterte am Freitag: „Blase 2.0 die naechste. Manche werden nicht schlauer.“ Ende der 90er Jahre pumpten Investoren Geld in jede kleine Firma, die versprach, irgendwas mit diesem neuen Internet zu machen. Am Ende lösten sich hunderte Unternehmen und gewaltige Geldberge in Luft auf.
Ein entscheidender Unterschied zu damals mag sein, dass heutige Internet-Firmen ein klares Geschäftsmodell haben und ein Flaggschiff wie Facebook auf einen Milliardengewinn verweisen kann. Was passiert aber, wenn die Umsatzerlöse nicht anziehen und die Facebook-Aktie die haushohen Erwartungen enttäuscht? Werden die Anleger dann wieder aus allen Internet-Aktien flüchten?
„Der Facebook-Börsengang hat das Potenzial, entweder der gesamten Branche Auftrieb zu geben oder sie zu lähmen“, sagt Christian Leybold, ein Partner beim Investor eVenture Capital Partners. Sein Geschäft ist es, in junge Internet-Firmen zu investieren - mit der Hoffnung auf einen späteren großen Gewinn bei Börsengang oder Verkauf. Eine Blase wie damals in den 90er Jahren sieht er nicht. „Man muss die Unternehmen eher als Einzelfälle betrachten.“
Einer dieser Einzelfälle im Portfolio von eVenture ist Groupon. Die Schnäppchen-Website hat sich gern als „am schnellsten wachsendes Unternehmen aller Zeiten“ bezeichnet. Und beim Wort Wachstum bekommen Anleger leuchtende Augen. Der Umsatz mit Groupons Rabattgutscheinen schoss immer weiter in die Höhe - doch statt der erhofften Gewinne blieben die Zahlen unterm Strich auch nach dem Börsengang tiefrot. Dann kam noch eine Buchhaltungspanne dazu - und die einst als künftiger Börsenstar gehandelte Groupon-Aktie dümpelt etwas über der Hälfte des Ausgabepreises von 20 Dollar herum.
Die Anleger, die in der ersten Kurs-Euphorie bei 30 Dollar zugegriffen haben, haben jeden Grund, stinksauer zu sein. Frühen Investoren wie eVenture mache das nicht so viel aus, versichert Leybold. Man sei so früh und so günstig eingestigen, dass ein „sehr großer Erfolg“ garantiert sei. Lernen aus der Groupon-Geschichte könne man aber auf jeden Fall, dass im Geschäft mit Internet-Aktien sehr viel Psychologie im Spiel sei: „Einzelne Ereignisse können einen massiven Einfluss auf den Kurs haben. Unsicherheit und Vertrauensverlust sind vielleicht schlimmer als ein paar schlechte Zahlen.“
Die Zweifel am Facebook-Geschäftsmodell teilt Leybold angesichts der massiven Nutzerzahlen nicht: „Facebook hat das Potenzial, auf Jahre ganz weit oben zu bleiben. Die sitzen auf etwas so wertvollem, dass sie sich schon blöd anstellen müssten, um damit kein Geld zu verdienen.“ So sieht er auch die aktuelle Euphorie der Börsianer entspannt: „Erst wenn Facebook als Volksaktie gepriesen wird, dann haben wir ein Problem.“