Analyse: Nächster Streit programmiert
Berlin (dpa) - „Warum das ganze Theater?“ fragten sich nicht wenige Koalitionäre in Berlin. Der höhere Arbeitnehmer-Pauschbetrag kommt schon dieses Jahr, doch der Bundeshaushalt wird trotzdem erst 2012 zusätzlich belastet.
Ein mühsamer Kompromiss, den es so schon früher hätte geben können.
Finanzminister Wolfgang Schäuble schaltete aber bis zuletzt auf stur und trieb den wochenlangen Konflikt mit den eigenen Truppen immer weiter auf die Spitze - wegen ganzer drei Euro mehr für Arbeitnehmer im Monat. Es wurde zunehmend einsam um den CDU-Kassenwart. Erst in der Nacht zum Mittwoch knickte er ein.
Doch als Verlierer dürfte er sich kaum sehen. Ob Schäuble der lange unnachgiebige Alleingang mehr schadet als nützt, muss sich noch zeigen. Denn es stehen besonders schwierige Etatverhandlungen an. Neue Konflikte sind längst programmiert.
Der Koalitionsstreit um rückwirkende Steuervereinfachungen und die 330 Millionen Euro für eine höhere Werbungskostenpauschale sind eigentlich eine Lappalie - gemessen am Gefeilsche in Brüssel um den 750-Milliarden-Rettungsfonds. Nicht wenige haben den Eindruck, dass sich Schäuble eher mit einem Euro-Krisenmechanismus ein Denkmal setzen möchte als mit kaum spürbaren Steuervereinfachungen.
Aber irgendwie hängt doch alles mit allem zusammen - Mini-Steuerentlastungen mit der Sanierung der deutschen Staatskassen und so auch wieder mit der aktuellen Euro-Schuldenkrise. Dem erfahrensten Mitglied im schwarz-gelben Kabinett werfen einige - nicht erst seit dem Steuerkonflikt - eine gehörige Portion Sturheit vor. Viel zu verlieren hat der 68-Jährige im Berliner Politikbetrieb ohnehin nicht. Und ein Finanzminister - grundsätzlich eher ein knauseriger Nein-Sager - braucht auch in den eigenen Reihen nicht unbedingt beliebt sein.
Der jüngste Machtkampf erschien vielen in der Koalition aber als völlig unnötig - vor allem in einem Superwahljahr und angesichts wenig berauschender Umfragewerte für schwarz-gelbe Bündnisse in den Ländern. Ankreiden lassen muss sich Schäuble, dass er Anfang Dezember nicht das klar verkündet hat, was nach seiner Meinung die Spitzen der Koalition zu den Steuervereinfachungen wirklich vereinbart hatten.
Das Problem verschärfte sich, als Wochen später ein erster Gesetzesentwurf aus seinem Hause bekannt wurde. Der löste Verwunderung in den eigenen Reihen und in der Öffentlichkeit aus: Schäuble wollte danach die höhere Arbeitnehmer-Pauschale doch erst 2012 umsetzen. Bis dahin stand wochenlang unwidersprochen im Raum, dass dieser Schritt schon 2011 greifen soll. Trotz des Widerstands der Koalition beharrte Schäuble aber weiter auf seiner Position und ließ Unions- und FDP-Experten noch am Montag abblitzen.
Denn angesichts des Konjunkturbooms und sprudelnder Steuereinnahmen befürchtet der Finanzminister neue Begehrlichkeiten seiner Kabinettskollegen. Die Verhandlungen über den Etat 2012 erfolgen nicht nur nach einem neuen Verfahren, sie sind auch konfliktträchtig. Nicht nur die Auflagen für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gestalten sich schwierig.
Union und FDP wollen bei der Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr unbedingt unter 44 Milliarden Euro landen. Die Messlatte für den Sparkurs liegt also schon für 2011 höher. Denn die Nettokreditaufnahme muss um fast fünf Milliarden gegenüber dem Etat- Plan gedrückt werden. Entsprechend schärfer werden die Vorgaben auch für 2012. Das könnte bei weiter gutlaufender Wirtschaft durchaus klappen - ohne neues Sparpaket.
Bereits Mitte März soll nach dem neuen Etat-Aufstellungsverfahren das Kabinett den Rahmen für Ausgaben und Einnahmen 2012 beschließen. Ein Posten steht nun fest: Mindereinnahmen wegen des höheren Arbeitnehmer-Pauschbetrags aus 2011 und für 2012 von je 330 Millionen Euro. Schäuble erneut zum Einlenken zu zwingen, dürfte in der anstehenden Etatrunde nun etwas schwieriger werden.