Analyse: Niederlande rufen nach Gerechtigkeit

Amsterdam (dpa) - „Mörder“ prangt in schwarzen Großbuchstaben auf der Titelseite des „Telegraaf“. Dazu stellt das rechtsgerichtete niederländische Boulevardblatt Fotos von den Führern der prorussischen Rebellen in der Ostukraine.

Eine Seite weiter: 63 Fotos von niederländischen Opfern. „Sie wurden ermordet“, schreibt die Zeitung.

Prominent wird am Samstag in allen Medien einer der Rebellen ins Bild gebracht: Der als Schlüsselfigur der Separatisten geltende Igor Girkin. Er soll kurz nach dem Absturz der Boeing der malaysischen Fluggesellschaft über den Kurznachrichtendienst Twitter damit geprahlt haben, seine Kämpfer hätten ein ukrainisches Militärflugzeug, eine Antonow An-26, abgeschossen. Dieser Tweet soll jedoch nach Angaben der Separatisten gefälscht sein.

Nach dem Schock über die unvorstellbare Katastrophe, die nach jüngsten Angaben aus Den Haag 193 Holländer das Leben kostete, wird nun in den Niederlanden der Ruf nach Gerechtigkeit laut.

Medien, Experten und Politiker verweisen dabei auf die pro-russischen Rebellen als Schuldige und ziehen die Verbindung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er habe den Konflikt in der Ukraine nicht nur geschürt, sondern die Rebellen auch mit schweren Waffen und Experten unterstützt. „Ohne Moskau keine Rebellen“, sagte der rechtsliberale Europa-Abgeordnete Hans van Baalen. „Staatspropaganda, die die Mordlust schürt“, wirft die linksliberale Zeitung „De Volkskrant“ Waldimir Putin vor.

„Wir werden nicht eher ruhen, bis die Sache von Grund auf geklärt ist“, versprach Ministerpräsident Mark Rutte. Doch mit Schuldzuweisungen an die Adresse Moskaus hält sich die niederländische Regierung deutlich zurück.

„Man muss nun endlich mit der Faust auf den Tisch schlagen“, fordert nicht nur „De Telegraaf“. In Kommentaren und Leserbriefen wird zu schärferen Sanktionen gegen Moskau und sogar zu einem Boykott Russlands aufgerufen. Auch die eigene Regierung müsse nun Flagge zeigen, meinen viele Niederländer.

Die Regierung Rutte hält aber daran fest: Erst müssen die Fakten auf den Tisch. „Wenn deutlich wird, dass dies ein Anschlag war, dann werde ich mich persönlich dafür einsetzen, dass die Täter gefunden werden und ihre gerechte Strafe bekommen“, sagte Rutte am Freitag.

Doch wer sollte überhaupt über die Täter zu Gericht sitzen? Als mögliches Kriegsverbrechen könnte der Abschuss von Flug MH17 vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gebracht werden. Dafür plädierte bereits die ukrainische Regierung. Doch ohne Beweise geht gar nichts. Und dafür sind wieder unabhängige Ermittlungen notwendig. „Internationaler Druck auf Putin kann dabei helfen“, sagte der Experte für internationale Beziehungen, Co Kolijn.