Analyse: Obama und Putin vor UN-Vollversammlung
New York (dpa) - Es war wohl das meistgenutzte Wort der UN-Vollversammlung: „Refugees“. Wohin mit 400 000 Flüchtlingen in Europa? Das war das Hauptthema des Supergipfels - vor 70 Jahren.
Bei der ersten Generaldebatte der UN-Vollversammlung im Januar 1946 ging es um Entwurzelte, Verschleppte und Vertriebene - und Millionen von ihnen waren Deutsche. Sieben Jahrzehnte später dürfte die Flüchtlingskrise wieder die Vollversammlung prägen und deshalb auch wieder der Krieg in Syrien und der Terror der Islamisten - und deswegen auch der Auftritt von zwei Männern, gleich am ersten Tag.
Denn auf der Liste der 196 Redner steht an Position zwei ein gewisser Barack Obama und an sechster Position ein Mann namens Wladimir Putin. Die Präsidenten der USA und Russlands werden also im Abstand von nur etwa einer Stunde sprechen. Und mit Spannung erwartet wird nicht nur, was sie sagen, sondern auch, wie sie empfangen werden.
Obama ist ein geübter Redner in New York. Jedes Jahr spricht er zu den Delegierten, immer viel länger als erlaubt. Doch während ihn in seinen ersten Amtsjahren noch tosender Applaus empfing und er immer wieder von Beifall unterbrochen wurde, gab es im letzten Jahr nur höfliches Klatschen. Zwischenapplaus: Null.
Und Putin? Der war vor genau zehn Jahren das letzte Mal in der Generaldebatte, in der jedes Land 15 Minuten über die Themen seiner Wahl sprechen kann. Doch so sehr die Besetzung der Krim im vergangenen Jahr viele Partner entsetzt hatte; Moskau hat nach wie vor enge Verbündete in den UN.
Das Schicksal der Zehn-, ja Hunderttausenden Flüchtlinge wird sich auch mit diesen beiden Männern verbinden lassen. Denn auch wenn keiner weiß, ob Obama und Putin die Syrienkrise lösen können - ohne die beiden geht es ganz sicher nicht. Und Moskaus jüngstes Engagement mit Iran, Irak und dem Regime in Syrien zeigt, dass Putin mitzumischen gedenkt.
Obama und Putin hatten in den vergangenen zwei Jahren wegen der Snowden-Affäre und Ukraine-Invasion praktisch keinen Kontakt. Traf man sich irgendwo auf der Weltbühne, blieb es höflich und kühl. Jetzt soll es ein Treffen geben, hieß es aus Moskau. Das zeugt von Annäherung - aber auch von Problemlösung?
Immerhin eint beide Seiten die Ablehnung der Mörder und Tempelsprenger des islamistischen Staates. Doch da hört es dann schon auf. Putin setzt nach wie vor auf Diktator Baschar al-Assad, der den Russen großzügig sein Land für Militärstützpunkte öffnete und fleißig Waffen in Moskau kauft. Amerikaner und bislang auch Europäer lehnen hingegen jede Lösung ab, die Assad einschließt - sei er es doch gewesen, der mit dem Terror gegen sein eigenes Volk das Morden begann. Ob es eine Einigung gibt, ist ungewiss, ja zweifelhaft. Zumindest wird die Gewalt in Syrien und die Suche nach einer Lösung ein Schwerpunkt der UN-Vollversammlung sein. Zum fünften Mal.