Analyse: Obamas schwerer Gang

Washington (dpa) - Als der NSA-Skandal im Sommer ans Licht kam, versuchte Barack Obama es zunächst mit Humor. „Wenn ich wissen will, was Kanzlerin Merkel denkt, dann rufe ich Kanzlerin Merkel an.“

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Das klang cool und versöhnlich - das Lächeln, das er dabei aufsetzte, war unschuldig und verschmitzt zugleich. Später, als herauskam, dass der Geheimdienst NSA sogar Angela Merkels Handy überwachte, wurde das Lächeln des US-Präsidenten immer gequälter. Jetzt, ein halbes Jahr danach, muss Obama Farbe bekennen: Was tun mit den Geheimdiensten?

Seit Wochen ist Obamas große Rede zum NSA-Skandal (Freitag, 1700 MEZ) angekündigt. Er spricht nicht im Weißen Haus, sondern im Justizministerium. Allein darin sehen Insider in Washington einen Symbolwert: Der Präsident wolle unterstreichen, dass alles nach Recht und Gesetz zugehe.

Fest steht: Bei seiner Rede geht es nicht nur um die Geheimdienste, nicht nur um Spähprogramme und millionenfach geschöpfte Metadaten. Es geht auch um das Image einer Weltmacht. Um Vertrauen. Um die Art und Weise, wie die USA mit ihren Freunden und Verbündeten umgehen.

Obama war nach der Bush-Ära angetreten, um die stark ramponierten Beziehungen zu einigen Verbündeten wieder zu kitten. Dass jetzt im Zuge des NSA-Skandals das Bild des „hässlichen Amerikaners“ erneut aufzuziehen droht, muss ihn zutiefst irritieren. Es ist mehr gefragt als bloße Schadensbegrenzung. Wie Merkel seinerzeit sagte: „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht.“

Was nottut, weiß Obama sehr genau. „Wir müssen bei der internationalen Gemeinschaft für mehr Vertrauen sorgen“, sagte er schon vor Wochen. „Nur weil wir etwas tun können, heißt noch nicht, dass wir es unbedingt auch tun.“

Doch Obama steht unter gewaltigen Zwängen. Immer wieder betont er, dass es in der Welt „bad guys“ gebe, böse Kerle also, die Terrorangriffe auf die USA planten. Zwar ist völlig unklar, wie viele Terrorpläne die Geheimdienste mit Hilfe ihrer Datenüberwachung tatsächlich durchkreuzt haben. Zweifel an allzu vollmundigen Erfolgsmeldungen sind jedoch angebracht.

Aber wenn Obama allmorgendlich nach dem Frühstück als erstes das Briefing der Geheimdienste erhält, ist der Druck immens. „Da gibt es jeden Tag Leute da draußen, die Anschläge planen“, zitiert die „New York Times“ Ex-Obama-Berater David Plouffe. „Die Idee, dass wir ein Werkzeug aus der Hand geben, das Menschen in den USA schützen könnte, ist da schwer nachzuvollziehen.“

Es ist ein schwieriger Balanceakt, den Obama zu vollbringen hat. Die „Washington Post“ schreibt unter Berufung auf Regierungsbeamte, er sei überzeugt, dass die Datenüberwachung sinnvoll ist. Doch zugleich scheint er überzeugt, dass bei der NSA einiges aus dem Ruder gelaufen ist.

Offenbar will Obama die Bürde, den Diensten Zügel anzulegen, nicht alleine tragen. Es heißt, mehrere wichtige Entscheidungen wolle er an den Kongress verweisen - etwa die Frage, wo gesammelte Daten gespeichert werden. Das bedeutet im Klartext wohl, dass es erst einmal weitergeht wie gehabt. Denn das Parlament ist tief gespalten, zudem stehen Kongresswahlen an. Da dürfte sich bis zum nächsten Jahr nicht viel bewegen.